Vielfarbiger Bananenpointillismus.
Die Bananenschablone, ca. 10 cm klein, ist zum Pinselersatz für den Kölner Künstler Thomas Baumgärtel geworden. Die Schablone und der Spray wurden darüber hinaus in den letzten Jahren zu seiner ganz ureigenen signifikanten Handschrift.
Dabei unterlag seine Bilderwelt einer permanenten Verwandlung und Entwicklung. An dieser Stelle lohnt es sich diese nachzuerzählen. 1986 setzte Thomas Baumgärtel in Köln seine erste Spraybanane. Doch zunächst empfand man dieses Symbol als Beschmutzung von Tür und Wand. Thomas Baumgärtel gegenüber hagelte es Anzeigen wegen Sachbeschädigung. Innerhalb der Kunstszene aber gab es immer mehr Stimmen, die diese Banane als positives Symbol definieren wollten. Museumsdirektoren und Galeristen begriffen, dass mit dieser Banane dem Kunstsuchenden der rechte Weg zu weisen war. Andererseits aber war die Baumgärtel`sche Banane in der Lage, den allgemeinen Kunstbegriff in Frage zu stellen. So kann die Banane eigentlich alles. Mit ihr und an ihr kann man, wie in der Kunst, "alles" darstellen. Ist die Banane frisch, dann ist ihre Form straff und prall und die Farbe leuchtend gelb, wird sie nicht zeitig gegessen, verwelkt sie, verliert ihre Farbe, wird schwarz und verfault.
Nach 15 Jahren finden wir heute die Banane von Thomas Baumgärtel überall auf der Welt. Mittlerweile aber scheint es, als ob der Künstler diesen Einzelbananenprozess abgeschlossen hat. Als kritische Äußerung gegenüber einer Institution fängt er nun ganz konsequent an, Bananen wieder wegzunehmen, indem er sie "sprengt".
Vielleicht liegt dies aber auch daran, dass die Banane längst nicht mehr Einzelsymbol in seinem Malprozess ist. So ist Baumgärtels Weg hin zur Malerei bis hin zum Bild exakt nachzuzeichnen. Es entstanden zu Beginn der 90er Jahre erste Außengemälde und Außenplastiken und 1994 ist sein Weg hin zum Bild besonders stark spürbar. Unter dem Titel "Die alten Meister und die Banane" findet man diese Frucht hineinkomponiert in Bilder, die Kunstgeschichte geschrieben haben. Mitte der 90er Jahre schafft er mit seinem Bilderzyklus "Nie wieder Krieg nur noch Bananen" den Weg hin zur reinen Malerei mit der Bananenschablone. Aber die Farbigkeit ist immer noch reduziert auf schwarz und gelb, im Vordergrund steht das Abgebildete, ob nun der Kölner Dom, der Mensch oder der Gegenstand. Immer wieder fragt die Kunstszene: handelt es sich hier um Graffiti, oder aber ist es wirklich Malerei, etwa eine Malerei des großen Widerspruchs, eines Widerspruchs, den Baumgärtel von Anfang an gesucht hat?
Mit seiner aktuellen Bildersequenz der Früchtestilleben erinnert sich Baumgärtel der Zeit an den Kölner Werkschulen und seines Lehrers Franz Dank. Dieser wollte immer, dass Baumgärtel Früchtestilleben auf die Leinwand bringt. Doch schon damals sprüht er lieber Bananen auf der Straße. Nun ist Baumgärtel zumindest thematisch zu seinem Lehrer zurückgekehrt. Der Bananenpointillismus versetzt ihn in die Lage, Bilder "sprayend" zu malen. Früchtebilder entstanden, dem Vierjahreszeiten-zyklus entsprechend, voll barocker Farbigkeit und überdimensioniert auch Pop-Art-Geruch ausstrahlend.
Baumgärtel hat jetzt für sich die Farbe entdeckt. Nein, nicht vorsichtig und mit Zurückhaltung, sondern mit aller Konsequenz in der Umsetzung. Die Farben seiner Früchte sind die der weißen Johannisbeeren aus dem elterlichen Garten, es sind die der Kokosnüsse aus Mexiko oder z. B. die der Mandarinen aus Mallorca, allesamt in voller praller Reife. Der schönste Moment der Frucht ist festgehalten, danach vergeht ihre Schönheit, wenn sie nicht gepflückt wird. Baumgärtel überhöht die Wirkung seiner Bilder noch dadurch, dass er die Bildränder übermalt und der Leinwand dadurch Tableauxcharakter gibt. Alles schwebt, ist unmittelbar präsent und doch auch entrückt.
Baumgärtel ist ein Illusionist. Ob Mandarine, Apfel oder Birne im Grunde ist doch alles Banane!
Michael Euler-Schmidt, 2001, Kölnische Galerie des Kölnischen Stadtmuseums.