Text von Prof. Dr. Irene Daum



Waldbilder von Nicole Meyer und Thomas Baumgärtel
Der Wald steht für viele Menschen für die unberührte Natur. Er gilt als Ort friedvoller Stille, als geheimnisvoller Sehnsuchtsort. In der Kunst der Romantik war der Wald ein Symbol für eine heile Welt, für eine zeitlose Idylle. Aber schon im 19. Jahrhundert finden sich auch andere Bezüge. In vielen Märchen lauern im Wald natürliche und übernatürliche Gefahren, denen sich derjenige, der sich an diesen finsteren Ort begibt, stellen muss. 

Die Anziehungskraft des Waldes als visuelles Motiv hält auch heute an, wobei häufig psychologische und symbolische Aspekte in den Vordergrund treten. Dazu gehören eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Atmosphäre, die der Wald mit sich bringt und den damit verknüpften Erinnerungen und Gefühlen. Er kann einen Sog entwickeln, vom Hellen ins Dunkle führen. Und es kommen noch weitere Aspekte ins Spiel. Es geht nicht mehr um einen unschuldigen Blick auf die Natur, sondern auch um ökologische Herausforderungen und Themen wie Klimawandel, Biodiversität und Umweltschutz und nicht zuletzt um die Frage, ob und wie sich die Natur ihren Raum zurückerobern kann und wird.

Die große Vielfalt des Oeuvres von Thomas Baumgärtel schließt seit vielen Jahren zeitgenössische Landschaftsbilder mit ein. In einer neuen Werkgruppe präsentiert der Künstler Waldbilder, die in Zusammenarbeit mit Nicole Meyer entstanden und auf einer Kombination seiner Techniken – der Arbeit mit Schablonen und Acryl oder Sprühfarbe – und der grafisch orientierten Herangehensweise der Künstlerin beruhen. Die gemeinsamen Arbeiten spiegeln atmosphärisch dichte Bilder wieder, die ein breites Spektrum an visuellen Eindrücken hervorrufen, vom Hellem, Lichten, Flirrenden bis hin zum Dunklen, Bedrohlichen, Undurchsichtigen und eine nachhaltige Wirkung beim Betrachter hinterlassen.

Die vielschichtigen Bilder von Nicole Meyer und Thomas Baumgärtel reflektieren unterschiedlichste Facetten des Sujets Waldes.  Die Künstler beleuchten das Motiv aus mehreren Perspektiven in einem Spiel mit den Grenzen zwischen Konkretem und Abstrakten, scharfen und vagen Umrissen und Konturen. Die Landschaften leben davon, was man wahrnimmt, aber auch von dem, was weggelassen wird und durch die Vorstellung ergänzt wird und lassen so Raum für die persönlichen Assoziationen des Betrachters. Einige Bilder vermitteln eine sommerliche Atmosphäre mit goldenen und hellen Tönen, sonnendurchfluteten Bäumen, Bilder des blühenden Lebens. Andere Arbeiten zeigen Formationen von Stämmen und Ästen in leichter Unschärfe und in ungewöhnlichen Farben, unkonventionelle, poetische Waldlandschaften im Wechselspiel von Abbild und Abstraktion. Sie sind weit von einem Märchenwald entfernt, scheinen aber dennoch den Blick in die Tiefe des Waldes hineinzuziehen.

Neben Waldlandschaften in realistischen und kontrastreichen Farben - wie die hellen Birken auf leuchtend grünem Boden – beeindrucken in der Werkserie Variationen des Themas in durchgängig dunklen Farben, in denen die Einzelelemente nur schwer voneinander abgegrenzt werden können. Einerseits wirkt der Wald hier bedrohlich, andererseits strahlt er aber auch eine düstere Faszination aus und vermittelt damit die Bandbreite unterschiedlicher Gefühlswelten, denen man sich beim Sujet Wald kaum entziehen kann. 

 Prof. Dr. Irene Daum, Düsseldorf

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