Text Thomas Baumgärtel Ingrid Raab, 2007

Text Thomas Baumgärtel von Ingrid Raab, 2007.

Ihren Ausgehtag verbringt Mary Poppins mit ihrem Freund Bert, der zwei Berufe hat:

bei schlechtem Wetter verkauft er Streichhölzer, bei gutem Wetter ist er Pflastermaler. Mary Poppins freien Tag feiern beide bei Tee und Himbeertörtchen.

An dem Tag, als das Geschäft so schlecht geht, dass Bert seine Mary nicht einmal zum Tee einladen kann, hat Bert gerade eine schöne Landschaft auf das Pflaster gemalt, mit Bäumen und Rasen, mit einem Stückchen Meeresblau und einem Badeort im Hintergrund. Mary Poppins bewundert das schöne Bild, bückt sich, um alles genauer zu betrachten und als sie Bert fragt, was denn das sei, hat Bert die Idee, zusammen mit ihr mitten hinein ins Bild zu springen. Nun findet eine seltsame Verwandlung statt: Bert und Mary stehen sich plötzlich auf frischem Gras in eleganter Sonntagskleidung gegenüber und wandern zusammen durch ein Wäldchen, bis sie auf einer Lichtung auf einen Tisch stoßen, der zum Nachmittagstee mit Schnecken und frischen Himbeertörtchen eingedeckt ist. Ehe sie sich versehen, lädt sie ein Kellner ein, dort Platz zu nehmen. Beide erfreuen sich an den Herrlichkeiten und werden am Ende eines wunderschönen Nachmittags elegant vom Kellner zum Ausgang geleitet, nicht ohne die vorherige Versicherung, dass nichts zu bezahlen sei.

Ähnlich märchenhaft geht es zu, wenn man der vielfachen Einladung Thomas Baumgärtels folgt, seinen Bananenzeichen nachzugehen, die den Weg zur Traumwelt der Kunst weisen. Es ist ganz einfach: Seit 1986 hat er weit über 4000 Bananenan die Fassaden von Kulturinstituten gesprayt, hinter denen man ein kleines oder größeres Wunder erleben kann. Thomas Baumgärtel ist ein zurückhaltender Mensch, der sich zu helfen weiß.

Anstatt vieler Worte weist er mit der Spraydose den Weg. Für den Betrachter ist die Aufforderung eindeutig, er muss sich nur darauf einlassen, dass ihm etwas Besonderes bevorsteht, wenn er der Banane folgt. Baumgärtel hat die Wirkung der Banane auf die Betrachter beobachtet, nicht so sehr aus der Sicht des Erklärenden, sondern eher aus künstlerischer, visueller Sicht. Er deutet die Wirkung der Banane, wie der Psychologe den Rorschach Test ausloten würde. Unterschiedliche Menschen sehen seine Bananen mit ihrem inneren Auge, für die einen leuchtet das Gelb wie Sonnenlicht, für andere ist es die Form einer Mondsichel, das Betrachten der Banane löst unterschiedliche Assoziationen und Reaktionen aus. Der Kunstkenner soll dabei ruhig auch an Andy Warhol denken.

Das Land, das hinter den Bananen liegt, ist für Baumgärtel ein Zauberland, immer wieder neu zu entdecken und frei von Alltäglichkeiten. Nicht umsonst schwebt sie an Wänden und Glasscheiben und weist so auf ihr surrealistisches Grundprinzip hin. Hinzu gesellt sich ein gutes Stück Ironie; denn das Baumgärtelsche Kunst-Urteil ist keineswegs rein theoretisch, es ist distanziert und persönlich zugleich, ganz sicherlich auch emotional - im besten Sinne idealistisch und auf keinen Fall zynisch. Eben auch nicht idealistisch im Sinne Eugen Schönebecks, der in den 60er Jahren zu später Stunde auf dem Akademiefasching singt: „Die einzigen Idealisten, das sind die Galeristen“.

Selbst wenn seine Sprayattacken teilweise ablehnender Verfolgung unterworfen sind, nimmt sich Thomas Baumgärtel doch einfach nur die Freiheit, seine persönliche Zuneigung, seine Überzeugung kundzutun. Er geht von sich selbst aus, hier hat ihn das MOMA eingenommen, dort die Peggy Guggenheim Sammlung in Venedig. Wurde er vor Jahren noch im Ludwig Museum beim Sprayen erwischt und musste eine hohe Strafe zahlen, freut er sich Jahre später über die Einladung von Museumsdirektor Dr. Gohr, nun doch eine neue Banane an das Ludwig Museum in Köln zu sprühen.

Von sich weiß Thomas Baumgärtel zu berichten, dass mit der Erfahrung als Sprayer der Entschluss reifte, Künstler zu werden. In seiner Vorstellung siedelt der junge Künstler sich vordergründig gesehen zunächst im Untergrund an, zu Recht, Kunst mobilisiert in der eigenen Zeit immer auch subversive Kräfte, die ein Künstler gut gebrauchen kann. Noch ohne eigenes Atelier, erwirbt der Sprayer dabei gleichzeitig eine erste Ahnung, warum Kunst gut tut.

Das Sprayen von Bananen ist dabei weniger ein politischer, evaluierender Akt, sondern vielmehr ein Nachdenken über die heutige Welt, ein Innehalten, wo wir uns befinden, ein Fragen stellen zum heutigen Menschenbild. Politisch daran ist allenfalls, dass der Künstler sich einmischt, Stellung bezieht. Das wiederum findet bereits dort seine Grenze, wo im Mittelpunkt der andere Mensch steht, der mit ins Bild gezogen werden soll, damit das künstlerische Anliegen gelingen kann. Es ist deshalb nur konsequent, dass Baumgärtel den heutigen Menschen ansprechen will, ihm Vorschläge macht, was aufschlussreich sein kann, um sich ein Bild zu machen. Die Banane ist der Vorwand, den Betrachter ins Bild einzubeziehen, etwas drastisch, drastischer zumindest, als Baumgärtel es von seinem Temperament her sein könnte. Sie ist der Eingang in eine Welt, in der wir uns unbefangen mit Fragen befassen können, die zwar vor unseren Augen stehen, häufig aber zu komplex sind, um nicht auch Angst einflößend zu sein. Wenn man nicht den Mut aufbringt, sieht man wohl möglich weg. Der Sprayer musste erheblichen Mut aufbringen, um an diesem und jenem ehrwürdigen Gebäude seine Aufforderung zum Tanz anzubringen. Dieser mutigen Aufforderung sollten wir deshalb folgen.

Mut ist auch vom Zweifel begleitet. Zweifel sucht nach Beispielen der Bestätigung oder Ablehnung. Kunstwerke haben das über die Jahrhunderte mit Allegorien, Gleichnissen, Symbolen, Emblemen, und mit Hieroglyphen festgehalten, als Zeichen für die Absicht,ein Bild zu verschlüsseln. Thomas Baumgärtels Banane ist ein derartiges Zeichen. Die Wirkung liegt darin, dass uns diese Zeichen neugierig machen und wir ihnen nachgehen, um sie zu entschlüsseln. Diese Möglichkeit ist oft viel weitergehender, als man glaubt, hilft sie doch, die schier unüberwindbar erscheinenden Probleme der eigenen Zeit zu entlarven. Nicht jeder kann oder will diese Botschaften lesen, deshalb treten sie oft erst einige Generationen später klar zu Tage. Aber ist Baumgärtels Banane wirklich mit dieser Zauberkraft ausgerüstet? Vielleicht hilft ein Ausflug in vergangene Zeiten zur Erforschung von heute ähnlich verlaufenden Phänomene zur Beantwortung dieser Frage.

Seit Aby Warburg nutzen wir die Erinnerung an Parallelwelten vergangener Zeiten intensiv, um aktuelle Phänomene besser zu verstehen. Wendet man Warburgs Methode auf Baumgärtel an, könnte zum Beispiel Gustave Courbet ins Betrachtungsfeld kommen - auch ein Künstler, der beunruhigend auf seine Zeit wirkte. Heute erkennen wir in ihm einen Vertreter der damaligen Moderne, der die besten Antworten auf die Fragen der Zeit, ja sogar der Zukunft geben konnte. Deshalb verwirrt es uns, dass er seine Zeitgenossen irritierte, vertrat er doch so fortschrittliche Gedanken, wie zum Beispiel den der Freilichtmalerei oder des Realismus als Ausdrucksform demokratischer Kunst, schließlich der Kunst als öffentlichem Mittel, nicht als Luxusgut.

Für uns ist klar, dass er die Errungenschaften seiner Zeit für die Menschen seiner Epoche nutzte: Die Erfindung der Zinkfarbtuben ermöglichte es ihm, im Freien zu malen, was kurze Zeit darauf die Impressionisten inspirierte. Der Anspruch des Künstlers, sein Thema selbst zu wählen, kann als demokratischer Befreiungsakt verstanden werden. Kunst allen Zeitgenossen als Lebenshilfe zuzugestehen, versteht sich heute von selbst, war aber in der restaurativen Zeit Napoleons III eine unerhörte Provokation. Denkt man zum Beispiel darüber nach, dass Portraits damals noch immer vorwiegend von Fürsten in Auftrag gegeben wurden, kann man sich besser vorstellen, wie zutiefst verstörend für den damaligen Betrachter die Portraits zweier Steinklopfer waren, die Courbet im Jahre 1849 anfertigte.Etwa fünfzig Jahre später erwirbt die Stadt Dresden dieses Bild für die Gemäldesammlung, ein Zeichen dafür, wie aufgeklärt und weltoffen der Staat Sachsen mit dem vielfältigen Gedankengut europäischer Kunst inzwischen umgehen konnte. Weitere vierzig Jahre später verbrennt das Gemälde im Phosphorfeuer der Bombenangriffe auf Dresden. Bis heute lebt es aber fort, verkörpert in vielen Schulbüchern die modernsten Ideen von gestern, aber auch das Scheitern an reaktionären Zeiten. Deshalb „kennen „ wir mit den Steinklopfern ein Gemälde sehr genau, obwohl es gar nicht mehr existiert. Wir ahnen , dass es uns die Sicht Courbets in unsere Zeit zurückbringen kann, dass das der wichtigste Grund ist, warum das Werk für uns noch Bestand hat.

Die Erfindung der Zinkfarbtuben ist inzwischen von der Erfindung der Spraydosen abgelöst worden, auch das ist vergleichbar. So wie es in Sachsen den aufgeschlossenen Museumsdirektor Carl Woermann gab, der 1904 Courbets „Les Casseurs de Pierres“ kaufte, gibt es heute den Museumsdirektor Gohr im Museum Ludwig in Köln, der eine gesprayte Banane für sein Museum bestellt. Wieder ist ein fortschrittlicher Kunstkenner am Werk, der das Risiko zeitgenössischer Künstler kennt und teilt. Vor allem aber macht ein eigentlich harmloses Werk auf zeitgenössische Probleme aufmerksam, die niemand sehen will, die uns aber die Gegenwart umso klarer vor Augen erscheinen lassen.

Die Bewegung, die wir damals wie heute beobachten, ist nicht linear, auch nicht progressiv.

Nach der gesprayten Banane folgt bei Baumgärtel das gemalte Bild – zunächst mit dem Stilmittel des Bananenpointillismus. Wieder geht das eher vielschichtig von statten. Bananenpointillismus könnte Impressionismus sein, ist aber auch ohne Probleme in der digitalen Welt anzutreffen, aus Pixeln gemalte Bananen. Ob Kölner Müll- oder Messeskandal, ob Bürgermeisterskandal in Delbrück - der Stil des Baumgärtelschen Pointillismus geht über die getreue Darstellung des Geschehens hinaus und schildert die Umstände atmosphärisch, schillernd, erst bei genauerem Hinsehen und Nachdenken entstehen Konturen. So wie Courbet den Straßenarbeiter als beispielhaft für seine Zeit erkennt und festhält, nimmt Baumgärtel sich prägender, abgründiger oder vorbildlicher Menschen unserer Zeit an, die weniger für ihre Person, als vielmehr für Zeitphänomene stehen. Der schillernde Malstil zeigt, dass es nicht vordergründig um die abgebildeten, aus Bananen zusammengesetzten Figuren geht, es sich auch nicht um die Bananenrepublik handelt, es sei denn, wir wollen uns gerade darin in einem Zeitspiegel wiedersehen. Was jedoch nicht die Absicht Thomas Baumgärtels ist.

Atmosphärisch wird durch den verwandten Stil erkennbar, dass Thomas Baumgärtel Menschen zu verzaubern sucht, sie in eine Welt hineinzieht, die magisch ist, geheimnisvoll und deshalb der Entschlüsselung bedarf. Die im Bananenpointillismus erstellten Werke zur Deutschen Einheit benutzen das Zeichen der Banane nicht, um zu vereinfachen, sondern die tanzende Banane beschwingt und erweckt Freude. Wir tanzen schließlich angesichts dieser Bilder mit hunderten durch die Luft schwebender Bananen in Gedanken mit. Die derart erreichte Vereinfachung eines komplexen Sachverhaltes fesselt den Betrachter und läßt ihn kurzfristig etwas über dem Alltäglichen Schweben. So wie Mary Poppins es uns als Kindern als Rezept zur Überwindung vielfältiger Probleme gelehrt hat. Durch die flimmernden Bananen geschieht etwas Seltsames: Das Negative erscheint unwichtig zu werden, surrealistische, idealistische Werte erhalten vereinfachte Konturen, haben schließlich angesichts der pointillistischen Verschwommenheit eine klare Botschaft. Wie man aus eigener Erfahrung im Umgang mit dem Thema unschwer erkennen kann, ist der Weg zu dieser charmanten Vereinfachung komplex. Jahrelang haben Thomas Baumgärtel und Harald Klemm am Thema „Deutsche Einheit“ gearbeitet, ehe es ihnen gelingt, zu diesem für uns alle undurchschaubaren Geschehen Klarheit zu gewinnen, so dass am Ende über allen Problemen ein Symbol steht, eine Banane.

Ab und zu ist es wichtig, die Dinge auf eine einfache Formel zu bringen. Dass das auch ein wichtiges künstlerisches Stilmittel der modernen Malerei ist, sei der Vollständigkeit halber dabei nur erwähnt.

Das einfache Zeichen erschöpft sich auch deshalb nicht in Wiederholung, weil es ein Ordnungsprinzp ist. Angesichts der „Deutschen Einheit“ mahnt es den gemeinsamen Nenner an, zeigt, dass zwar auch die freudigsten Momente ihre Schattenseiten haben, von denen abzusehen aber möglich ist, wenn aus Bananen Rosen entstehen. Wir befinden uns dabei nicht in der Zeit von „yellow submarine“, sondern in Deutschland, das seine neuen Aufgaben nur unscharf erkennt. Stellt man die Volksarmee und die mit Kalaschnikow bewaffneten Soldaten neben das fröhliche Bild des Brandenburger Tors, sieht man auch die hintergründigen Kräfte unseres Symbols. Die „Deutsche Einheit“ kam ohne Einsatz der Armee zustande, innerlich hinterlässt das Bild in uns einen Schauer, beim genauen Hinsehen erkennen wir gleichzeitig: nein, nichts ist passiert.

Die Handschrift macht den Künstler aus, sie ermöglicht es, dass wir gedanklich von den Bananenrosen zur Kalaschnikowbanane wandern können, um am Ende zu dem Schluss zu kommen, dass man sich aus vielen Aspekten ein Bild macht. Es ist mutig, Liebe und Tod mit denselben Mitteln anzusprechen, dadurch den inhaltlichen Gegensatz zu überwinden und gleichzeitig zu erfahren, dass sich Gefühle in uns verstärken, die die Bilder ausgelöst haben. Man empfindet es als ein Wunder, Gegensätze gleichzeitig zu denken, das Auge wandert von einem zum anderen Bild, mit ihm wandern die Gedanken und verstärken sich durch Emotionen.

Dabei sind im Laufe der Jahre die Bananen kleiner und kleiner geworden, bis sie verschwinden. Schon seit einigen Jahren entstehen – und wieder im regen Gedankenaustasch mit dem Künstler und Ateliernachbarn Harald Klemm – die ersten gegenständlich ungegenständlichen Gemälde (Werner Spies, „Ich kann beim besten Willen Europa nicht entdecken“, FAZ 8.11.2007). Das Gemälde, das Werner Spies mit dieser Qualitätsbezeichnung schildert, ist ein Landkartenbild von Max Ernst aus dem Jahr 1933, mit dem Titel „Europa nach dem Regen“, auf der Max Ernst die Welt neu ordnete. Es versteht sich bei Max Ernst von selbst, dass dieses Werk der gedanklichen Entschlüsselung durch den Betrachter unendliche Möglichkeiten eröffnet, es ist ein Glück, dass es seit Kurzem in der Kunsthalle Karlsruhe der Öffentlichkeit zugängig ist.

Gegenständlich ungegenständlich zu malen ist auch für Thomas Baumgärtel eine Möglichkeit, unterschiedliche Phänomene und ihre Werte auf den Prüfstand zu stellen. Die neuen Landschaftsbilder zeugen von der Sehnsucht nach Harmonie. Gleichzeitig deutet sich in den Schatten, in der Verengung des Weges eine Bedrohlichkeit an, die den Weg paradoxer Weise zu unendlich vielen Themen öffnet, die uns täglich beschäftigen, aber auch nicht eindeutig sind. Die entlaubten Bäume könnten ebenso vom Klimawandel wie vom Winter zeugen, sie geben unserer Vorstellung von Natur und gleichzeitig deren Bedrohung durch den Menschen ein eindrucksvolles Bild. Unsere Gedanken bleiben hängen, verstricken sich, fügen dem Bild etwas hinzu, ergänzen. Die eigene Vorstellungskraft erhält auf diese Art eine Konstante, die vom Widerspruch gekennzeichnet ist.

Anhand des vertrauten Blickes in die Speisekammer der Mutter gerät auch die Erinnerung an die Vergangenheit ins Wanken. Die alten Produkte sind entfernt, Massenprodukte der heutigen Zeit füllen den Ort der Kindheit mit Konsum. Nach dem ersten Schrecken, die alten Kindheitsträume nicht mehr vorzufinden, bleibt das Bild dennoch das alte, jetzt mit neuen Inhalten angefüllt. Die Erinnerung lässt sich nicht einfach bannen, auch die neuen Produkte können den Ort seiner Faszination aus Kindheitstagen nicht enträtseln. Wie in einem Kinderlied erinnert man sich an den alten Refrain, ausgedrückt im klassischen Stil eines Stilllebens.

Mit den Bildern zu Massenveranstaltungen wird dann die Konfusion perfekt. Erschrocken über den vermeintlichen Hitlergruß erkennt man bei genauerem Hinsehen, dass die bekannte Geste auf einem Pop Festival unserer Zeit entstanden ist. Erleichterung stellt sich beim Betrachter ein, Hitlergruß und Popfestival sind nicht dasselbe. Das dahinterliegende Problem der eigenen Identität tut sich nun umso bedrohlicher vor dem geistigen Auge auf, der Schreck, es könne sich beim Anblick des Werkes tatsächlich um den Hitlergruß handeln, ist nicht so schnell vergessen.

Diese künstlerische Entwicklung ist ebenso logisch, wie dramatisch. Durch den Verzicht auf die Ikone schält sich aus dem Sprayerkokoon der Maler heraus. Solange Thomas Baumgärtel noch mit der Banane seinen Sorgen und Problemen Ausdruck verlieh, konnte er dieses Symbol auch zu seinem Schutz benutzen, zumal es teilweise so groß war, dass er sich mühelos dahinter hätte verbergen können. Für den Betrachter, der Thomas Baumgärtels Kunstwerke kennt, ist der vermeintliche Symbolverlust dennoch konsequent, weil das Anliegen Thomas Baumgärtels nun unverstellt vor Augen tritt. Angesichts von Orientierungslosigkeit und Rücksichtslosigkeit, von Konsumrausch, von Identitätsproblemen und Verlust der Natur wird es nun in den neuen Werken Ernst, was niemanden daran hindern kann, gedanklich hier oder dort wieder eine Banane einzufügen, wenn ihm der Ernst zu groß werden sollte.

Ingrid Raab, 2007

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