Text Thomas Baumgärtel 2003

Thomas Baumgärtel

Der Deutsche Thomas Baumgärtel, bekannt als der "Bananen-Sprayer", sprüht seit 1986 in vielen europäischen Städten mittels Schablone neben Eingängen von ihm geschätzter Kunstorte eine etwa 35 cm große Banane. Anfangs mehrmals wegen wilden Sprayens vorbestraft, markierte er inzwischen weltweit, und es gilt als Auszeichnung, wenn Baumgärtel durch Setzung seines Zeichens eine Galerie goutiert. 1992 war er erstmals in Wien tätig. Ende 2002 bemalte er einen Straßenbahn-Zug der Wiener Linien. Auch bei seinen sonstigen Bildwerken und Installationen bedient sich der Künstler des Bananen-Sujets und stellt diesen manchmal Wortbotschaften bei, wie erst jüngst als Protest gegen den Irak-Krieg: "War is...(hier nun das Bananensujet statt des Wortes ´Banane`)". Einmal ist Baumgaertel das für KünstlerInnen seltene "Kunststück“ gelungen, die sogen. Menschen von der Straße hinter sich zu vereinen. Er besprühte 1993 mit Freunden die in Köln aufgestellte Plastik des Fluxus-Künstlers Wolf Vostell, ein in Beton eingegossenes Auto, mit Bananen-Sujets. In der Bevölkerung hatte das gute Resonanz, doch Konservative und der Künstler Vostell waren sehr aufgebracht. Dabei hatte Vostell selbst noch 1969 die Sprengung von Kunstgegenständen gefordert. Er bestand auf die Entfernung der Bananen. Daraufhin errichtete Baumgaertel auf der Plastik ein Zelt und veranstaltete einen „Bananen-Streik". Er sammelte währenddessen an die 1000 Unterschriften von BefürworterInnen des neuen Zustands der Plastik. Bald darauf überstrich eine unbekannt gebliebene Frau die besprühte Plastik mit weißer Farbe. Baumgaertel reagierte, indem er das nun bereits sehr populäre Kunstwerk blau anstrich und wiederum Bananen sprühte, die er jeweils in einen Kranz aus gelben Sternen setzte. Im Sommer 1993 entfernte die Stadt Köln schließlich das extrem gewichtige Kunstwerk und ließ es von einer Spezialfirma restaurieren. Immerhin, Baumgaertel hatte die Volksmeinung mobilisiert und somit in den Alltag der Menschen eingegriffen, ja sogar die Menschen selbst zur Mitbestimmung der Gestaltung "ihres" öffentlichen Raumes bewegt. Da ich mit Baumgaertel in mail-Kontakt stehe, bestätigte er den Wahrheitsgehalt dieser Vorkommnisse und teilte mir dazu mit: "Ein Begründer der Bewegung Fluxus, die die Notwendigkeit der ständigen Veränderung, ja, sogar Sprengung von Kunst propagiert, war gekränkt, da sein statisches Denkmal berührt wurde....". Dass Baumgaertel trotz seiner Sympathien seitens der Öffentlichkeit im Kunstbetrieb kein leichtes Leben hat, zeigt folgende Mitteilung in der selben mail: "Letzten Donnerstag ist was vorgefallen, was mir in den ganzen Jahren Sprühens noch nicht passiert ist: ausgerechnet bei der Eröffnung der Ausstellung ´Tanz um die Banane` in Hamburg [diese war gegen den Irak-Krieg gerichtet, Anm. Th.N.] werde ich beim Sprühen einer Friedensbanane am Eingang des Museums von dem Dirkektor körperlich angegriffen. Noch bei den Eröffnungsreden heuchelte jeder der Redner, wie schlimm der Angriffskrieg von Bush wäre [...]." . Für die Volkskunde liegt hier der für den Kunstbetrieb paradoxe Fall vor, dass ein moderner Künstler im "Volk" mehr Verständnis und Sympathien erhält als von den "Köpfen" der Kunstverwaltenden.

Auszug aus der Diplomarbeit in Europäischer Ethnologie von Thomas Northoff ("Österreichisches GraffitiArchiv für Literatur, Kunst und Forschung"), September 2003.

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