Text Leben und Banane. Eine Kunst von 2002.

Leben und Banane. Eine Kunst

Thomas Baumgärtel, mittlerweile ein bekannter Name in der internationalen Kunstszene, hat 1986 seine erste Banane gesprayt. Der 1960 in Rheinberg am Niederrhein geborene Künstler hat also schon in seinen Anfängen jenes Elementarzeichen gefunden, mit dem er bis in die Gegenwart herein seine Bilderwelten schafft. Das Signet der Banane ist nicht neu. Bereits Andy Warhol hat es 1966 als Cover für Pop-Musik verwendet. Freilich wirkte die exotische Frucht in diesem Kontext rätselhaft fremd. Dann verschwand die Banane von der Bildfläche. Bis sie am 12.10.1986 in Rheinberg wieder auftauchte. Seitdem markierte der Bananensprayer weit über 2000 Kunstorte in Europa und Amerika, die Außenwände von Galerien, Museen und anderen Kunstinstitutionen mit diesem Emblem.

Wurden dem jungen, noch unbekannten Künstler seine dadaistischen Graffiti-Aktionen mit der gesprayten Schablonen-Banane anfangs krumm genommen und strafrechtlich verfolgt, so ist mittlerweile jede Kunststätte, vom Museum Ludwig in Köln bis zum Guggenheim-Museum in New York, von den großen Galerien in den Metropolen bis zu entlegenen Kunstorten wie der NN-fabrik im Osten Österreichs, stolz, diese "Bananalität" als Gütesiegel für Kunst zu tragen. Seit 1986 sind also weltweit die besten Kunstorte mit der Spraybanane vernetzt.

So schablonenhaft banal diese gelbe Frucht mit der schwarzen Rasterung auch sein mag, hat sie doch im Laufe der Jahre vielfältige Ausformungen erfahren: Von der einfachen Spraybanane über die Neuinterpretation von alten Meistern, von der provokanten Umdeutung von Symbolen wie dem Kreuz zu einem Bananenkreuz oder der deutschen Flagge zur Bananenrepublik bis hin zum Bananenbomber oder einem Hitler-Porträt aus Bananen. In diesen Spray-Bildern in Acryl transportiert Baumgärtel auch politische Aussagen, indem er die sinnüberfrachtete Ernsthaftigkeit der Motive persifliert.

Es geht in seinen Arbeiten nicht nur um eine provokative Auseinandersetzung mit Kunst und Welt, sondern auch um ein befreiendes Lachen über den Witz, den diese Bilder haben. Freilich gibt es auch Kunstkritiker, die meinen, diese Kunst ist ein Witz oder noch schärfer, Baumgärtels Aktionen seien kunst- und künstlerfeindlich. Manche Gegner scheuen sich auch nicht, von einer langweilig-faulen Bananen-Banalität zu sprechen, der es an inhaltlicher Substanz mangle. Doch viele ernsthafte Kunsttheoretiker respektieren mit Hochachtung die Radikalität, mit der Baumgärtl sein Konzept umsetzt und durchzieht. Die Banane ist nicht nur auf Kleinformate gesprayt und als Bild an den Innenwänden von Galerien und Privathäusern zu sehen, sondern auch in überdimensionalen Installationen, als skulpturale Objekte aus Kunststoff, Holz und Beton sowie auf großflächigen Wänden von Speditionshallen und Türmen.

Es ist, als ob die Banane allgegenwärtig sei. Dem Künstler entgeht kaum ein Motiv aus dem alltäglichen Leben, das nicht mittels Banane gestaltet und verwandelt wird: Ob das nun ein Tennisball ist oder eine Weinflasche, der deutsche Bundesadler, Ex-Bundeskanzler Kohl oder der Kölner Dom, ein Waschbecken oder ein Businessman, das World Trade Center (1996) oder ein liegender Akt, eine Hakenkreuzbanane oder Beuys, Dürers Hase oder Goethe oder auch, wie zuletzt, seine Stillleben (Früchtebilder als vierfarbiger Bananenpointillismus).

Gemäß seinem Motto: "Unser Leben ist Banane und Kunst" verwandelt Baumgärtel die gegenständliche Welt in eine bananenreale Bildwelt. Und, so der Künstler weiter wörtlich: "Die Spraybanane im öffentliche Raum ist eine ständige, sich immer weiter verändernde Ausstellung, die auf der Straße dem wahren Leben ausgesetzt ist."

Siegmund Kleinl, 2002

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