Text Kunst heiligt die Mittel 2007
Wie überrascht und zugleich erfreut war ich, als ich 1989 die Banane an der Wand meiner kurz zuvor eröffneten Galerie sah. Die gelbe Frucht, für den Künstler Symbol für Kunst und Leben, hatte auch bei mir ihre Wirkung nicht verfehlt und um psychologische Wirkung ging es dem ehemaligen Kunst- und Psychologiestudenten: jeder reagierte anders auf die Schablonenbanane. Sie ließ sich einfach nicht ignorieren und polarisierte – ganz im Sinne des Künstlers - von Anfang an gewaltig: die einen wollten sie unbedingt haben, die anderen verklagten ihn wegen Sachbeschädigung. In den über 20 Jahren seiner Sprühaktivität hagelte es Aktenordner voller Strafanzeigen und Geldbußen, was den Künstler jedoch nicht davon abhielt weiterhin seine unverkennbaren Zeichen zu setzen.
Sehr anschaulich wurden diese „Schandtaten“ im letzten Sommer in der Ausstellung „Krumme Dinger. Skandale, Korruptionen, unsere Bananenrepublik“ im Kölner Oberlandesgerichtes, dem „idealen“ Ambiente, dokumentiert und persifliert. Begleitet wurde die geniale Inszenierung mit einem entsprechenden Medienaufgebot.
Mittlerweile gibt es aber kaum noch Anzeigen von wütenden Galeristen oder Museumsdirektoren. Heute sind die meisten froh, überhaupt in den Genuss dieser Auszeichnung, die zugleich als hervorragender Wegweiser für Kunstsuchende dient, zu gelangen und häufig wird er gebeten, doch seine Bananenschablone zu zücken. Bevor er nach Moskau kam, fälschten die Galeristen, fasziniert von der Spraybanane, dieselbe, und in New York wurde er nach seiner zuvor angekündigten Sprayaktion mit offenen Armen aufgenommen. Kürzlich wurde sogar einer Schweizer Galeristin ihr Firmenschild, auf welchem das begehrte Logo prangte, entwendet – vermutlich hatte es der Dieb auf die Banane abgesehen.
Dabei begann alles ganz harmlos – damals 1983 während seiner Zivildienstzeit in einem katholischen Krankenhaus – mit einer gekreuzigten Banane: über jedem Bett hing ein Kreuz mit einer Jesusfigur aus Porzellan. Eines Morgens bemerkte er, dass eines dieser Kreuze zu Boden gefallen war. Der Künstler wollte das Kreuz aber nicht so nackt wieder an die Wand hängen und da er gerade eine Banane zur Hand hatte, schälte er sie halb und hängte sie stattdessen ans Kreuz. Schon damals sorgte dies für widersprüchliche Emotionen - die Patienten amüsierten sich und die Ordensschwestern waren empört.
Auch in der Ausstellung im Oberlandesgericht hing eine solche Banane – gut sichtbar – und für diesen Anlass vom Künstler extra großformatig gemalt. Das „obszöne“ Ding aber, musste schleunigst weg, wurde in eine Art Besenkammer verbannt und später weggeschlossen. Die Leute könnten ja Anstoß daran nehmen.
Thomas Baumgärtels Bananen blieben aber nicht nur als singuläre Gütesiegel auf Galerien und Museen beschränkt, sondern sie dehnten sich in Scharen auf ganze Häuserwände und zahlreiche Objekte aus – zunächst als Nacht- und Nebelaktionen – später immer mehr als genehmigte Wandarbeiten oder offizielle Projekte im Stadtraum.
Auch vor Wolf Vostells Betonauto „Ruhender Verkehr“, welches auf einer Verkehrsinsel auf dem Kölner Hohenzollernring ruht, machte der Künstler nicht halt und verwandelte es flux in ein Bananenauto, natürlich ohne vorherige Erlaubnis. Schließlich nahm er Vostell nur beim Wort und verwandelte dessen Werk im Sinne von Fluxus „Kunst müsse veränderbar sein“ nach dem Motto: „Was ist hier Fluxus, da bewegt sich ja nix? Es muss sich aber was bewegen“, und schon hatte er die Bananen. Vostell fand diese Aktion jedoch gar nicht lustig und das Kunstwerk musste abtransportiert und gereinigt werden, zu Lasten des Künstlers, hätten sich dafür nicht bananenfreundliche Sponsoren gefunden. Nach Meinung des Künstlers entlarvte Vostell sich damit jedoch nur selbst. An die Stelle des abtransportierten Betonautos stellte Baumgärtel sein eigenes bananenübersätes Auto – witzig, frech und vor allem imagepflegend. Dafür kassierte er lediglich ein Knöllchen. Und zu guter Letzt stellte er sich nach der „Entbananisierung“ der Plastik auf dieselbe und demonstrierte als „Deutsche Freiheitsstatue“, natürlich in einen Bananenmantel gehüllt, mit erhobener Banane für die Freiheit der Kunst. Diese Performance fand ein Jahr später auch vor dem Kölner Dom statt und im Oberlandesgericht prangten unübersehbar riesige Leinwände im Treppenhaus: rechts Baumgärtel als Freiheitsstatue und links als Strafgefangener – immer im Kampf um die Freiheit der Kunst. Tatsächlich landete er einmal aufgrund seines allzu freiheitlichen Umgangs mit der Banane im Gefängnis. Zur Ausstellung fand dann auch eine medienwirksame und dem Ausstellungsort angemessene Aktion statt: Baumgärtel als Sträfling verkleidet und von einem Polizisten in Handschellen abgeführt. Vor der Tür entledigte sich der Künstler seines gestreiften Gewandes und sprayte seine Banane an die Fassade – jedoch nur für die Dauer der Ausstellung. Danach musste sie wieder entfernt werden.
Für Thomas Baumgärtel ist die Freiheit der Kunst ein zentrales Thema, was immer wieder in seinen Werken zum Ausdruck kommt. Für ihn war die Kunst schon immer ein Vorreiter, um auf politische und gesellschaftliche Missstände hinzuweisen und kritisch Stellung zu beziehen. So persifliert er seit Jahren Größen aus der Politik und seine Bananencollagen weisen auf so manch „krumme Dinger“ in der Bananenrepublik hin. Mit seiner „Sprengbanane“, die er am Museum Ludwig in Köln anbrachte, wies er auf „den miesen Umgang der Museumsdirektion mit dem Kurator für Fotografie, Reinhold Mißelbeck“, hin. Die entstellte Banane wurde daraufhin entfernt und ward bis heute nicht mehr gesehen.
Auch mit seinen öffentlichen Aktionen bezieht Thomas Baumgärtel gesellschaftskritisch Stellung, wenngleich auf humorvolle, subtile Art. Ich erinnere mich noch gerne, als er im Frühjahr 1997 ins Kölner Kulturamt kam und um eine Empfehlung für ein sehr interessantes Projekt mit dem Titel „ Wir lieben die Hohe Kirche“ bat, wo er die Lebensabgewandtheit der katholischen Kirche kritisierte. Anlässlich des 750jährigen Domjubiläums der „Hohen Kirche“ sollte eine riesige, halbierte Banane vor dem Hauptportal des Kölner Doms platziert werden, sodass es den Anschein hatte, sie sei komplett in den Eingang des Domes geschoben worden. Die Aktion sollte nach Thomas Baumgärtel einen spannungsvollen, fruchtbaren Dialog zwischen zeitgenössischer Kunst und Kirche bzw. der Kunst und dem Leben erzeugen: „Ich versuche in meinen Projekten eine Kunst voranzutreiben, die auf Auseinandersetzung drängt, Wirkungen erzeugt, Extreme vereint und ein Umfeld schafft, in dem sich ein spannungsvoller, aber fruchtbarer Dialog entwickeln kann. Die Kirche muss sich dem Leben öffnen … Die Banane steht in meinen Projekten für das Leben. Sie verkörpert eine frische, zeitgenössische Kunst, die wie das Leben ihre größte Entzückung im Zusammentreffen der gegensätzlichsten Pole erfährt.“
Da jedoch der gesamte Bereich von ca. 20m rings um den Dom als Sperrfläche galt, auf der keine Aktionen durchgeführt werden durften, konnte leider keine Empfehlung dafür ausgesprochen werden. Entgegen aller Vorschriften jedoch, führte der Künstler sein Vorhaben ein Jahr später in einer Blitzaktion durch. Aber so schnell wie die Banane aufgebaut war – nämlich in acht Minuten – war auch schon der Rechtsanwalt der „Hohen Kirche“ zur Stelle, sodass es laut Thomas Baumgärtel den Anschein hatte, „er habe in der Kirche geschlafen“. Kurz darauf erschien dann auch die Polizei. Die „peinliche“ Banane musste um einige Meter vom kirchlichen auf städtischen Grund zurückgezogen und abends wieder abtransportiert werden. Doch damit hatte der Künstler schon gerechnet und klugerweise den schnellen Aufbau zuvor geprobt und für gehörigen Medienrummel gesorgt.
Ein viel größerer Triumph aber für Thomas Baumgärtel ist es, wenn er eine Genehmigung für das jeweilige Projekt erhält. So plant er seit 2000 eine weitere Aktion mit einer „Riesenbanane“, die er in das Brandenburger Tor, dem Wahrzeichen Berlins und Symbol der deutschen Einheit, legen will. Das Brandenburger Tor und die Banane, nach Ansicht des Künstlers, beides Symbole der Wiedervereinigung werden hier zusammengeführt und veranschaulichen einen weiteren Kampf für die Freiheit und die Freiheit der Kunst: man bedenke - die Banane im Brandenburger Tor erscheint als sei sie hinter Gitter gesetzt. Glücklicherweise hat Thomas Baumgärtel Fürsprecher für sein Projekt gewonnen, wie beispielsweise Roland Specker, der ihm bei der Realisierung des Projektes, insbesondere bei den zahlreichen Genehmigungsverfahren behilflich sein will, und der auch schon als Organisator bei der Verhüllung des Reichtagsprojektes durch Christo und Jeanne-Claude bekannt wurde. Nur wollen wir nicht hoffen, dass der Künstler auch 23 Jahre auf die Realisierung warten muss. Finanzieren will er seine Aktion aus Sponsorengeldern, Verkäufen aus Ausstellungen und seinen originellen Editionen. Letztere kamen beim Publikum sehr gut an. So gab er anlässlich der Ausstellung im Oberlandesgericht eine limitierte Paragraphenbananenedition heraus, die noch am gleichen Abend ausverkauft war und zum Auftakt des Berliner Projektes legte er in die damaligen Fünfmarkscheine, auf denen das Brandenburger Tor abgebildet war, eine Riesenbanane.
Wichtig ist dem Künstler bei solch groß angelegten Projekten im öffentlichen Raum, eine tiefenpsychologische Kunstwirkungsanalyse durchführen zu lassen – das heißt wie wirkt das Projekt auf die Menschen – das Gelingen eines Projektes lässt sich so voraussagen.
Thomas Baumgärtel ist sowohl Idealist als auch Realist und weiß beides auf geniale Weise miteinander zu verbinden. So arbeitet er mit psychologischen Wirkungen, um sein Idee von der Freiheit der Kunst auch in der Öffentlichkeit anschaulich zu machen und weiß die Medien dabei für sich zu gewinnen. Auch gelingt es ihm, durch sein offenes und sympathisches Wesen, gepaart mit Witz und Esprit, eine Schar von Förderern und Sammlern anzuziehen und sie für seine originelle Kunst zu begeistern. Dennoch oder gerade deshalb polarisiert der auch in sich selbst widersprüchliche Künstler: die einen können keine Bananen mehr sehen, die anderen können nicht genug davon kriegen, aber genau dies beabsichtigt er auch: „Ich versuche weiter eine innovative Kunst voranzutreiben, die auf Auseinandersetzung drängt, die extrem die Öffentlichkeit sucht, Kulturen verbinden will und Kunst wieder außerhalb von Museen und Galerien lebendig macht.“
Aber ganz gleich, was seine Kritiker auch auszusetzen haben - er hat längst Kunstgeschichte geschrieben…
Iris Bruckgraber, 2007