Immer wieder Krieg Gerard Kever 1996

„Immer wieder Krieg“ Gerard Kever (Künstler der Mülheimer Freiheit), 1996.

Kunstgeschichte machen !? Warum sie nicht geschehen lassen? Passieren wird sie sowieso. Bekanntlich immer dort, wo man sie nicht vermutet. Kunstgeschichte ist eine Anhäufung von Ereignissen, die damals niemand erwartet hätte.

Graffiti-Symbole auf Häuserwänden z.B. waren Ende der 70ger Jahre in Deutschland verpönt, asozial. Wer hätte damals gedacht, daß sie es heute wieder sind. Diesmal weil diese schier unbändige Flut von jugendlichem Ausdruckswillen sich vielfach über Urbanes legt, ohne dabei den Gesetzen modischen Wechsels zu gehorchen. Ganz zu schweigen von Innovation, geht hier eine festgelegte, langweilige Spray-Ästhetik jetzt schon in die zweite, dritte Generation.

Dennoch. Abzusehen gewesen wäre: Die unweigerliche Auslese (aus dieser Flut) von einigen Individualisten durch die gängigen Kulturinstitutionen - Keith Haring, Kenny Scharf, Jean Michel Basquiat, (Naegeli ?). Abzusehen gewesen wäre auch noch der unweigerliche Transfer von der Hauswand auf die agile Leinwand (Naegeli ?).

Aber wie hätte man vorhersehen sollen, daß das Reduzierteste und Anspruchloseste aller Symbole, man scheut es sich auszusprechen, -ja, eine banale Banane, zu einem allseits assoziierten Synonym für einen so komplexen und anspruchsvollen Lebensbereich wie Kunst werden könnte. Wer versucht hier ein Projekt zu schaffen, das Reduktion und Komplexität als Gegensätze aus ihren Angeln zu heben versucht ?

Wer versucht so etwas zuwege zu bringen ? Wie kam die Idee dazu zustande ? Gab es einen Auftraggeber für eine solche Sisyphusarbeit ? Oder war hier ein genialer Vorausdenker am Werk ? Ein Werk, das nun immerhin schon über zehn Jahre andauert !

Hätte man nach hartnäckigen zehn Jahren damit rechnen können, daß sich dieses Symbol von der Außenwand ablöst und wie von einem Zellteilungsmechanismus getrieben eine leinwandfüllende Virtuosität produziert ? Welche Spürnase hat der Banane eine ganze Dekade Reifezeit verordnet, damit just in dem Moment, wo sie als kleinster gemeinsamer Nenner größte Popularität erreicht, morphologe Bildwelten aus ihr heraus mutieren ?

Steckt eine Absicht hinter einem so weitläufig angelegtem Konzept ? Oder ist hier jemand auf völlig unbedarfte Weise in spontanem Kontakt mit jenen Kräften, die Innovation nicht planen, sondern geschehen lassen ?

Ein Werbefeldzug seitens der Industrie, selbst noch für den gebräuchlichsten aller Artikel, hätte unmöglich so großzügig angelegt sein können. Aber natürlich stellt sich die Banane ja auch in den Dienst einer wesentlich immateriellen Sache. Es geht um Kunst. Und wer könnte schon mit Sicherheit sagen, was das ist. Auch wenn sie sich immer wieder in käuflichen Exponaten dingfest machen läßt, so bleibt ihre dahinter liegende Idee doch dem ständigen Antagonismus der Avantgarde treu: immer das, von dem man glaubt es sei keine Kunst, wird unweigerlich zur Kunst.

Und genau hier tritt unsere Banane auf die Bildfläche - im wahrsten Sinne des Wortes. Denn dieses fundamentale Gesetz schließt unweigerlich auch das Paradox mit ein: die Banane definiert. Sie stempelt und brandmarkt das, was partout frei sein will. Eine Schablone für das Grenzenlose. Sie begeht das Sakrileg, das festlegen zu wollen, was sich nicht festlegen lassen will.

Natürlich ist die Banane schlau genug dieses Unterfangen nur zu simulieren. Ihre ironische, postmoderne Symbolik, die der physikalischen Wahrheit Tribut zollt, daß nichts im Universum gerade ist, ist prädestiniert zu diesem Spiel mit der Kunst. Nichts ist endgültig, auch nicht das Ideal der Freiheit. Und selbst wenn sich die gesamten Egokräfte der Kunst an genau dieser Stelle zusammenbrauen.

Baumgärtels Spiel weiß geschickt mit diesen Idealen umzugehen: wer immer sich dem Anspruch seiner Banalität entgegensetzt, verschafft der Banane Aufwind. Und wer glaubt, durch Ignorieren die Banane ausgrenzen zu können, wird sich jetzt erst recht über sie ärgern. Unverfroren macht sie nun ihren Anspruch auf die abendländische Tafelmalerei geltend. „Nie wieder Krieg“ ist eine Kampfansage an die formalisierte Freiheit der Kunst. Daß hier die Hintertüre der Moderne benutzt wurde, um den Elfenbeinturm der Kunst zu stürmen, tut der Sache keinen Abbruch. Daß eine zehn Jahre lange Feldarbeit das Fundament geschaffen hat, um eine Verknüpfung im kollektiven Erinnerungsvermögen zwischen Kunst und einer Schablone zu etablieren, zeugt von respekteinflößendem Weitblick.

Ein über Zeit und Raum so großzügig angelegter chirurgischer Eingriff an einer so empfindlichen Assoziationsschwelle vorzunehmen, ist historisch gesehen in der Kunst bislang unbekannt. Daß sich die Banane nun, an einem so entscheidenden Wendepunkt ihrer Karriere, als erstes dem Thema Krieg zuwendet, ist von honorem Interesse.

Denn was, um es kurz zu machen, ist mehr „bananas“ als Krieg.

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