Eröffnungsrede von Wolfgang von Wasielewski 2017
Liebe Andrea, lieber Thomas Baumgärtel, liebe Freunde der Galerie Kaysser,
es gibt wohl nur wenige Aktions -und Konzeptkünstler, die im öffentlichen Raum so präsent sind wie Thomas Baumgärtel mit seiner legendär gewordenen Sprüh-Banane. Die Bananen sind inzwischen an Eingängen von fast 4000 Museen und Kunsteinrichtungen in aller Welt zu finden, aber nicht nur an klassischen Musentempeln, sondern eben auch an der Fassade normaler Bürger- und Geschäftshäuser wie z.B. beim berühmt gewordenen Bananenhaus in Duisburg, das von oben bis unten mit Baumgärtelschen Bananen „markiert“ ist.
Nur kurz nebenbei: auch am Eingang der kleinen Filmproduktionsfirma meines Sohnes in Berlin prangt sein Bananenschild, leider nicht vom Künstler selbst gesprüht, sondern in Form eines Schildes aus Metal.
1960 in Rheinberg am Niederrhein geboren, besuchte Baumgärtel von 1985 bis 1990 als Meisterschüler von Franz Dank die Fachhochschule Köln im Fach „Freie Kunst“. Bis 1995 studierte er quasi nebenbei Psychologie an der Universität Köln. Im Jahr 1986 gab es dann die erste Spray-Banane. Er gehörte seit den 90 Jahren mehreren Ateliergemeinschaften und Künstlervereinigungen an und seine Arbeiten sind inzwischen in vielen deutschen und internationalen Sammlungen vertreten.
Manche von Ihnen fragen sich vielleicht: Was ist das denn eigentlich: „Konzeptkunst“? Die Frage ist berechtigt. Jemand, der kein Insider des modernen Kunstbetriebs ist, tut sich manchmal schwer mit den Begriffen: „Konzept-und Aktionskunst oder Fluxus“. Allen diesen Begriffen gemeinsam ist, dass sie sich vom konventionellen Kunstbegriff befreien und außerhalb der herkömmlichen künstlerischen Milieus mit ungewöhnlichen Mitteln, nach Möglichkeiten suchen, mitten in unserem Lebensalltag einen öffentlichen Diskurs zu provozieren. Die berühmt Happenings der 60 Jahre sind uns allen ein Begriff. Noch konsequenter ist die spätere Fluxus Bewegung, bei der, wie der Name schon sagt, das Fließende und bewusst Vergängliche der Aktion und des Konzepts entscheidend mit hineinspielt. Es wird also kein geschlossenes Kunstwerk im klassischen Sinn angestrebt, sondern eine öffentliche zeitlich begrenzte aber für den Moment provozierende Performance für den „Normalbürger“, der in der Regel wenig mit zeitgenössischer Kunst und Künstlern in Berührung kommt.
Was hat das alles mit Bananen von Thomas Baumgärtel zu tun ?
Ganz banal gesagt: die Banane war ja nicht nur das von arroganten Wessis oft belächelte „Sehnsuchtsobjekt“ der Ossis und damit ein durchaus ehrliches Symbol der Wiedervereinigung, sie ist natürlich auch ein populäres Phallus-Symbol, aber man kann sie tatsächlich auch einfach nur zum Frühstück essen ohne über Konzeptkunst, die Wiedervereinigung oder so komplexe Themen wie die männliche Sexualität nachzudenken.
Dadurch, dass Baumgärtel den konventionellen Raum, den das Bildungsbürgertum für die Kunst vorgesehen hatte, mit seinen Sprayaktionen verlässt und mit einem Allerweltsding wie einer Banane den öffentlichen Raum - man könnte übertreibend sagen - flächendeckend „markiert“, provoziert er zwangsläufig beim Publikum einen Diskurs und ein Nachdenken über das eigenen Verhältnis zur Kunst. Darüber hinaus gibt es ihm Gelegenheit, auf Banalitäten, Heucheleien, Spießertum und allgegenwärtige Missstände aufmerksam zu machen. Insofern hat die Konzeptkunst naturgemäß immer einen dezidiert politischen und sozialkritischen Ansatz. Zu seinen bekannt gewordenen Herausforderungen in diesem Sinne gehören beispielsweise seine Arbeiten zum Kölner Domjubiläum, bei der er seine Banane in die Pforte des Doms eindringen lässt oder eine gekreuzigte Banane mit dem Titel: „Glaub doch was Du willst !“ zeigte. Aber auch seine Spray- Arbeit von 2015 auf einer Hauswand in Neuwied, als Reaktion auf die Anschläge auf die Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo gehören hierhin. Das sind in seinem Oeuvre nur einige wenige Beispiele, die deutlich illustrieren, was Konzeptkunst bewirken will: ausserhalb der Insiderwelt des Kunstbetriebs die Öffentlichkeit zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Kunstbegriff und seinen Grenzen anzuregen.
Thomas Baumgärtel auf seine Spray-Banane zu reduzieren, würde ihm allerdings nicht gerecht. Sein Spektrum ist vielfältiger. Er hat eine Variante des malerischen „Pointillismus“ entwickelt, den er in den 2000 Jahren mehr und mehr ausarbeitete. Einige Bilder sind hier in der Ausstellung zu sehn. Zum Beispiel das eindrucksvolle Bild hier vom Kölner Dom mit der Hohenzollern-Brücke. Aber auch den großen Ingwer Topf mit Bananen. Sie müssen das Bild, das oberflächlich ganz bewusst einen holländischen Stilleben ähnelt, ganz genau betrachten und werden dann Bananen in vielen witzigen Varianten finden. Zwei weitere Arbeiten sind bemerkenswert: Der Bildgrund die zwei hier ausgestellten Brücken sind abgerissene Plakatwände, auf denen man zum Teil noch die deutlich Mauerstrukturen erkennt, was einen reizvollen Effekt gibt.
Was Thomas Baumgärtel gegenüber anderen Aktions- und Konzeptkünstlern wohltuend abhebt, ist sein spitzbübischer, manchmal auch durchaus drastischer Humor und die Ironie, die alles vermeidet, was belehrend oder ideologisch aufgeladen daherkommt. Immer haben seine Arbeiten soviel Witz, dass eine unangenehme dogmatische Schärfe vermieden wird.
Als jemand der sein ganzes Leben lang dem Rheinland verbunden war, dürfte ihm das auch fremd sein. Man sagt den Rheinländern - und hier beziehe ich den Niederrhein mit ein - ja eine gewisse Lässigkeit und „fahrlässigen Optimismus“ nach (wie meine Mutter das bezeichnete, die selbst aus dem Rheinland stammte).
Zumindest haben die Rheinländer mit den Bayern den Grundsatz „leben und leben lassen“ gemeinsam.
Jetzt wünsche ich Ihnen viel Freude bei der Ausstellung und bedanke mich für Ihre Geduld. Thomas Baumgärtel steht Ihnen sicher gern für Fragen zu seinen Arbeiten zur Verfügung.
Wolfgang von Wasielewski