Eröffnungsrede von Maria Eicker



... zur Ausstellungseröffnung in der 30works-Galerie am 14.01.2025 in Köln

Lieber Thomas, lieber Gérard, verehrte Gäste,
Urban Positions – wer anders als Du, Thomas, kann zu diesem Thema Sinnvolles beitragen? Seit 1986 hast Du in Städten weltweit Tausende Bananen an Fassaden gesprüht, um Kulturorte kenntlich zu machen – oft genug bist du in diesem Zusammenhang wegen Sachbeschädigung angezeigt worden.

Was sagt das über Eigentümer*innen von Kunstorten aber auch über eine städtische Gesellschaft aus? Ist Kultur etwa kein wichtiges Asset einer Stadt? Es gibt die ein oder andere politische Entscheidung, die das suggeriert… Oder hat man die vielschichtige Bedeutung des Motivs einfach nicht verstanden und die Banane unter „Schmiererei“ abgetan? Ist sie zu provozierend? Für manche Deiner Werke hast Du sogar schon Morddrohungen bekommen, erfreulicherweise noch nie im Zusammenhang mit der Banane am Kreuz…

Was wir hier sehen ist eine gehäkelte Banane, die halb geschält ist, damit sie an einem Kreuz befestigt werden kann. Das Werk erinnert an die Anfänge Deines künstlerischen Schaffens:

Damals, 1983, machtest Du Zivildienst im katholischen Krankenhaus in Rheinberg. Ein Kreuz fiel von der Wand, der Korpus war zerbrochen. Das Kreuz leer an die Wand zu hängen, kam nicht in Frage. Deshalb hast Du Deine Frühstücksbanane halb geschält und an den Nägeln befestigt, an denen zuvor der Porzellankorpus hing, danach das Kreuz wieder aufgehängt. Nicht, weil Du provozieren wolltest, sondern weil eine Banane lebendiger, sinnlicher, ja, erotischer ist als es der Porzellankorpus je war. Natürlich gab es für die Aktion viel Ärger. Trotzdem: die Ordensschwestern waren und blieben Dir wohlgesonnen. Sie verstanden das Leben in seiner Vielfalt und auch die Kreativität, die in dir steckt, offensichtlich sehr gut.

Durch diese Aktion hast Du gemerkt, dass Kreativität, dass Kunst sehr viel auslösen und bewirken kann. Kunst ist lebendig, Kunst-Schaffen ist für Dich ein Gegenentwurf zu Tod und Krankheit. Somit wurde die Banane am Kreuz die Initialzündung für Deinen beruflichen Werdegang: Wenn etwas so Banales eine so große Wirkung hatte, dann musste daran weitergearbeitet werden.

Ein Vorbild war Harald Nägeli, der für seine Sprayarbeiten lange Zeit per Haftbefehl gesucht wurde (Einige seiner Werke sind mittlerweile denkmalgeschützt, u.a. seine Arbeit an der Westfassade von St. Cäcilien – Museum Schnütgen). Du wurdest der Bananensprayer, ein Pseudonym, hinter dem Dein Name jahrelang verborgen blieb.

Wer mit offenen Augen durch Köln geht, wird an vielen Orten – meist an Fassaden von Museen und Galerien – von Dir gesprühte Bananen finden, manchmal ein Bild mit Banane, manchmal „nur“ eine Banane.

Es brauchte seine Zeit, bis die Spraybanane als Auszeichnung von Kunstorten wahrgenommen wurde. Ein gutes Beispiel ist das Museum Ludwig hier in Köln: 1986 rief Deine Nacht- und Nebel-Aktion (Sprayen der Banane auf die Fassade des Museums) bewaffnete Polizisten auf den Plan und Du wurdest wegen Sachbeschädigung angezeigt, musstest Dein Werk entfernen. Schon zwei Jahre später bat Dich der Direktor des Museums, Herr Dr. Gohr darum, eine Banane an einem schönen Platz auf die Fassade des Museums zu sprühen.

Manch eine/r tut sich bis heute schwer mit dem Motiv: Die Banane als Obst wird zwar mittlerweile als Superfood angesehen, im Sprachgebrauch aber gilt sie bis heute als Synonym für Banales, Auswechselbares, Dummes. Bananen sind alles, nur nicht elitär. Wenn Kunstorte mit einer Banane ausgezeichnet werden, dann bedeutet das: Kunst ist nichts Elitäres! Und gerade damit scheint manch ein Kunstfreund Probleme zu haben.

Vielleicht hängt es damit zusammen, dass viele die Technik des Sprayens im öffentlichen Raum, Graffitis, nicht als Kunst verstehen. Vielleicht schaut man nicht genau hin und versteht deshalb nicht, dass trotz des Einsatzes von Schablonen jedes Werk ein Unikat ist. Andere lehnen vielleicht die Streetart ab, weil sie nicht elitär ist. Oder es ist einfach zu anstrengend, über Positionen nachzudenken, die die eigenen Überzeugungen herausfordern.

Denn: Kunst im Öffentlichen Raum bezieht Position, Streetart ist oft Gesellschaftskritik. Thomas Baumgärtel hat an verschiedenen Stellen im Kölner Stadtbild auf Missstände aufmerksam gemacht. Ich denke, alle kennen das große Wandgemälde „Die Rückeroberung der Stadt durch die Künstler“ in der Marzellenstraße. Das monumentale Gemälde, eine Gemeinschaftsarbeit mit dem Kölner Künstlerkollektiv „Captain Borderline“, entstand als Kritik an einer Politik, die vergessen zu haben scheint, dass die Menschen nicht nur Geld verdienen und satt werden wollen, sondern auch Kunst und Kultur zum Leben gehören. Sie sind wichtig für die Menschheit: Kunst macht das Leben bunter, fördert eine Auseinandersetzung über philosophische und politische Themen, regt Gespräche und Diskussionen an und bringt so Menschen zusammen. – Sie alle kennen und verstehen das, sonst wären Sie nicht hier.

Oder denken Sie an Put-in an der Aachener Straße, eine Reaktion auf den furchtbaren Angriffskrieg auf die Ukraine. Andere Beispiele im Stadtbild fallen vielleicht weniger auf. Da ist es gut, dass manch ein Werk auch – in Abwandlung – einen Weg in den Innenraum findet. Dort an der dunklen Wand hängt die Buchbanane, die der Künstler für die Kölner Zentralbibliothek gestaltet und 2023 dort aufgesprüht hat. Sie weist nachdrücklich auf die Bedeutung dieser Kultureinrichtung für die Stadtgesellschaft hin. Als Einzelbild für den Innenraum kann man die Bedeutung aber auch runterbrechen: In Zeiten der digitalen Medien muss man sich vielleicht manchmal daran erinnern, welch wunderbare Geschichten sich in Büchern verstecken, die auch Teil unserer Identität sein oder werden können.

Andere Werke hier rufen Erinnerungen an schon Gesehenes wach: Erkennen Sie Snoopy im Boot, Tom und Doggi mit Tims Gesicht, vorne am Fenster Wolf Vostells „Ruhender Verkehr“ im kleinen Format, übersät mit gesprühten Bananen? Diese Aneignung von Motiven anderer Künstler ist ein wichtiger Teil der Konzeptkunst: Durch seine Verwandlung kann das Kunstwerk ganz neu wahrgenommen werden.

Immer schon hat Thomas Baumgärtel mit den Bildträgern gespielt, auf denen seine Werke entstanden. Auch in dieser Ausstellung gibt es Sprayarbeiten auf Ziegelimitat oder auf abgerissener Plakatwand. Eine neue Werkgruppe nutzt Verpackungsmaterial als Bildgrund, thematisiert dadurch unseren Alltag – wie es in den 1960er Jahren die amerikanische Pop Art auf ihre eigene Weise auch tat. Die Verpackungen sind Ready-mades. Sie fallen auf durch ihre Form, Farbgebung und Schrift, mit der der Inhalt und manchmal auch Werbung gestaltet ist. Wir verbinden Erinnerung mit der Gestaltung, weil wir in unserem Alltag dem ein oder anderen Motiv schon in Realiter oder in der Werbung begegnet sind. Markenwerbung, Verpackungen – auch das gestaltet eine Stadt.

Mit dieser neuen Werkgruppe verbindet sich viel Gesellschaftskritik. Die Wegwerfgesellschaft wird thematisiert,
• die sogar für eine Verpackung so viel energieintensiv hergestelltes und sogar farbig bedrucktes Papier nutzt;
• die Unmengen von Luxusgütern konsumiert während in weiten Teilen der Erde Menschen nicht das Nötigste zum Leben haben
• und die es sich bei all dem auch bequem macht – ist das meiste doch woanders für unsere Nutzung erstellt (und zu uns transportiert) worden

Die Gestaltung
• spricht aber auch unser Innerstes an,
• erinnert uns vielleicht an schöne Momente,
• macht uns neugierig auf den Inhalt der Verpackung, auf das Produkt –
• und verführt uns möglicherweise sogar zu einem Kauf, weil die Verpackung bzw. das Produkt für etwas steht, das ich anderen von mir zeigen möchte.

Durch die Arbeit des Künstlers hat
• das Rolling Stones Logo auf der Dr. Oetker-Verpackung eine ganz neue Bedeutung;
• Pink Lady, eine Apfelsorte, hat eine Dame mit Blume im Haar glücklich gemacht;
• das Sandmännchen schaukelt auf einer Banane und macht es sich mit Hubba Bubba Kaugummi bequem – was lautmalerisch daran erinnert, dass manche Kinder Bubu machen – schlafen – sollen.
• Die Maus muss nicht die Frage beantworten, weshalb die Banane krumm ist, aber sie stemmt die Frucht, während Dionysos, der Gott des Weines und des Überflusses, sich auf ein Weinfass stützend hinfläzt und uns, mit großem Vergnügen, mit einem Schoppen zuprostet.

In Köln darf der Dom nicht fehlen, er ist das Wahrzeichen der Stadt und sicher auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, kommen doch sechs Millionen Menschen jährlich den Dom besuchen, meist als Touristen. Das Werk hier auf der Wand verweist auf ein großes Wandbild in Ehrenfeld, es zeigt die Domspitzen vor einem dunklen, in Spraygrammtechnik gestalteten Bildgrund.

Um auf die Banane am Kreuz zurückzukommen, mit der alles anfing: Das Bananengelb der Domspitzen lässt den „kolossalen Gesellen … [der] verteufelt schwarz empor“ ragt, wie Heinrich Heine einst über den Dom schrieb, lebendig wirken, verleiht dem Bauwerk sinnlichen Glanz.

Die Ausstellung zeigt: Urban Positions bedeutet, in der Stadt Stellung zu beziehen wo immer auf Gutes oder Wenig-Gutes aufmerksam gemacht werden kann, dabei aber das Liebens- und Lebenswerte der Stadt nicht zu übersehen.

Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Auseinandersetzung mit dem Werk des Street-Artisten Baumgärtel, der uns – manchmal kritisch, oft auf vergnügliche Weise – das vor Augen hält, was unsere Stadt prägt, wir im Alltag aber oft übersehen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Maria Eicker

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