Eröffnungsrede von Maria Eicker

BILLBOARDS Extended im EKTRA-Offspace Köln-Porz
30. April bis 30. Juli 2023

Lieber Thomas Baumgärtel,
sehr geehrter Herr Schöngeist,
verehrte Gäste,

wir feiern ein Jubiläum: Vor 40 Jahren hast Du, Thomas, eine Banane zum Artefakterhoben – Dein Markenzeichen war geboren. Bis heute finden wir diese, mithilfe von Schablonen gesprühte Banane auf Bildern, vor allem aber an vielen Hausfassaden.

Mit ihr kennzeichnest Du weltweit kulturell wichtige Orte wie Museen, Galerien, erst kürzlich auch die Stadtbibliothek am Neumarkt hier in Köln - machst Street-Art. Aber immer noch gibt es Zeitgenossen, die Deine Graffiti als Vandalismus wahrnehmen – Du bist oft genug für diese Deine Arbeit angezeigt worden. 

Und mal ehrlich: Wieso ausgerechnet Banane? Die steht doch für das Banale schlechthin!

Und damit machst Du Kunst und Kultur im öffentlichen Raum sichtbar?? Mit einer gesprühten – nicht mal einer handgemalten Banane, also einem Unikat?! Ein Affront für die gutbürgerliche Kunstwelt…

–-- Ich persönlich finde diese Graffitis wunderbar, denn sie machen die Kunst in der Öffentlichkeit sichtbar als etwas, das selbstverständlich zu unserem Leben gehören sollte, und nicht nur für elitäre Kreise da ist. 

Deine Spraybanane ist ein Beitrag zu gesellschaftlichen Fragen. Sie ist Beispiel fürDein Kunstkonzept: Du kommentierst, Du klagst an, Du machst aufmerksam; mal bitter ernst, mal humorvoll – und immer alltagstauglich, aktuell und nah am Publikum.

Heute sehen wir Billboards extended – ein Titel, der auf die überdimensionierten Werbetafeln in den USA verweist, auf Schilder, die Landschafts-prägend sind. Oder wir denken an riesengroße Werbung an hohen Gebäuden, die von Pop-Artisten wie Tom Wesselmann oder James Rosenquist auf Nahsicht gebracht und Museums-fähig, sprich Ausstellungs-würdig wurde. Die amerikanische Pop Art hat zum ersten Mal Konsum thematisiert. 

Dazu passt wunderbar der Aufsteller, der zudem unsere Sichtweise herausfordert: Was sehen Sie zuerst? Das Rolling-Stones-Logo, Langnese-Eis oder die Bananenzunge? Was kommt Ihnen als erstes in den Sinn – die Musik mit all den Erinnerungen, die mit ihr verbunden sind, Situationen, in denen Sie gutes Eis gegessen haben – oder das Zusammenspiel von beidem, was ja durchaus ein Teil der persönlichen Lebenskultur ist…

Seit der Pop Art verschwimmt auch die Trennungslinie zwischen Außenraum und Innenraum: Claes Oldenburg forderte die Besucher seiner Ausstellung auf, Müll von der Straße mit in die Galerie zu bringen, um dort eine Straße zu installieren.

Auch hier ist der Außenraum in der Ausstellung gezeigt: Hier steht der Aufsteller, die Werbung wird zum Bild – aber auch andere Beispiele gibt es:

Schauen Sie mal genau hin: Für die meisten Bilder wurde die Rückseite von Plakaten genutzt. Man stelle sich vor: Da werden die Hausmauern befreit von großen Plakatwänden, meist viele Lagen übereinander, und diese Abfälle dienen nun als Bildträger. Man erkennt die Mauerstruktur des Bauwerks, auf dessen Wand die Werbung einst klebte. Diese „Billboards“ bekommen im Atelier eine neue Funktion, in ihrer sprichwörtlich abgerissenen Erscheinung dienen sie als Bildträger für neue Aussagen und gelangen so in Innenräume.

Das Bild hier gegenüber kennen wir alle aus der Einladung zur Vernissage: Aus Tim und Struppi (dem Abenteuerreporter Tintin und seinem Hund) wurden Tom und Doggi: Dein Körper, Thomas, ist Banane, unangestrengt angespannt, zielgerichtet – also nicht banal – bist Du schnell unterwegs. Wohin? Wahrscheinlich zum nächsten Kunst-Abenteuer? Oder zu Deinem Sohn, den Du vor Jahren so wunderbar porträtiert hast: Life is Fun – mit Sport, Musik und gegenseitiger Anerkennung…

Ganz aktuell ist das Ensemble hier gegenüber:
Auf ausgediente rote Ölfässer ist bananengelb mit Hilfe von Schablonen CO2 bzw. NO2 aufgesprüht (beide 2019) – das eine verweist auf die Kohlendioxyd-Belastung der Luft, das andere auf die schädlichen Auswirkungen von Stickoxiden, die unser Klima und unsere Gesundheit gefährden.

Wir finden die alte Zapfsäule (aus 70er-Jahren, Arbeit aus 2021/22), deren Lackierung uns frische Bananen verspricht – vegetarische Energie-Lieferung für Motorfahrzeuge?? (M.W. muss das Fahrzeug noch entwickelt werden, das mit Bananen im Tank fährt, oder?). In der Präsentation hier vor Ort wird ein direkter Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine und der Energiekrise hergestellt, denn „Put in Prison“ (2022) hängt genau darüber:

Vielleicht kennen Sie ja auch das große Plakat mit demselben Motiv, das bereits vor einem Jahr in der Aachener Straße aufgehängt wurde: Es ist Thomas BaumgärtelsStatement zu dem von Putin befohlenen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Das Werkzeigt den russischen Präsidenten im Sträflingsanzug, mit der Bananen-Zipfelmütze. Die Banane ist nur halb da, sie hat ihre Energie verloren, hängt kraftlos und schlaff vom Kopf des Kriegstreibers, dessen Name zerpflückt wird zu „Put in“. 

Die Zusammenstellung dieser vier Werke führt zu einer politischen Aussage: durchVerzicht auf billiges russisches Gas soll Russlands Finanzkraft geschwächt werden, gleichzeitig muss die Klimawende schneller kommen.  

Wunderbar auch die Brückenbilder: Wie Du mir erzähltest, war der Hintergrund für ihr Entstehen Trumps Wahlkampf. Erinnern Sie sich noch, wie oft der den Bau einer Mauer propagierte – während wir hier doch den Mauerfall feiern?! Und wie oft herablassend, abgrenzend, polarisierend gesprochen wurde und wird? – Die naheliegende Lösung: Künstler müssen Brücken bauen. Das kann in Bildmotiven geschehen – und ich muss zugeben, ich liebe den Charme der alten Eisenkonstruktionen auf Plakatwand, die Du aufwändig gemalt und gesprüht hast; -- außerdem vermute ich, dass ein jeder von uns zumindest mit der Hohenzollernbrücke persönliche Erlebnisse verbindet – aber Brücken bauen kann man auch, in dem man Position bezieht. Spannend wird das, wenn die Meinung offenbleibt, das bietet Gesprächsstoff:

Bitte schauen Sie sich das Werk „Art Cologne“ (2022) an: Das große Skelett läuft in einem Raum, der durch Sprühköpfe der Spraydosen gestaltet ist. Es hält in der einen Hand eine Spraydose und in der anderen ein abgerissenes Plakat der Art Cologne. Ich weiß nicht, ob Sie diese große Kunstmesse in Köln kennen: Sie ist auf moderne Kunst spezialisiert und sicherlich eine der wichtigsten Kunstmessen weltweit. Aber: Obwohl Graffitis mittlerweile eine anerkannte Kunstform sind, sucht man sie auf der Messe meist vergeblich, wie generell junge Künstler und zeitgenössische Kunst kaum bis gar nicht vertreten sind. Und so verbindet dieses Bild hier die Sorge, dass die Art Cologne stirbt, weil sie in der Tradition verhaftet scheint, mit dem Wunsch, dass sie Kunstort bleibt und sich öffnet für neue Themen der Kunst. Sehen Sie, die Banane hier ist nicht energiereich mit gelb gestaltet, nur die Konturen werden in Rot (ACHTUNG) gezeigt. Die Art Cologne, das ist derzeit traditionelle moderne Kunst – rechts unten erkennt man als Gegenpol das CAP – Zeichen: in Anlehnung an das ART-Logo für die Künstlergemeinschaft auf dem Clouth Atelier entworfen. Hier arbeiteten zeitweise bis zu 60 Künstler!

Eigentlich sollten sie nach der Sanierung wieder in die Halle auf dem Clouth Quartier einziehen können, stattdessen entschied der Rat ihren Abriss. Heute ist dort ein großes Wohnquartier entstanden. 

Kunst braucht nun mal Raum, damit sie wirken kann. Künstler brauchen Raum, damit sie ihre Sicht der gesellschaftlichen Realität entwickeln und ihr Ausdruck gebenkönnen. Der vorhersehbare Rauswurf aus der Halle auf dem Clouth-Areal hat Dich zu zahlreichen Wandbildern inspiriert, fast alle gingen mit dem Abriss der Halle verloren.

Nur der „Totentanz der Künstler“ (im Juni 2011) überlebte, denn er war auf die Metalltüren des Trafohäuschens gesprüht worden und damit herausnehmbar.

Totentanzdarstellungen (seit 14. Jahrhundert) sind historisch gesehen mit „dem großen Sterben“ in Pest- und in Kriegszeiten verbunden. Immer wird gezeigt, dass der Tod, dargestellt als Skelett, jeden holt – egal welches Alter, egal welcher Stand, egal wie reich oder arm. Der Tod bittet zum Tanz, eine makabre Vorstellung. 

Hier sind es die Künstler, die als Tote mit ihrem Werkzeug tanzen. Sie haben schon in die andere Welt gewechselt, weil es in unserer Gegenwart keinen Raum gibt für das, was ihr Leben, ihr Schaffen, ausmacht: Musik, Malerei, Spraykunst. Der Rhythmus ist noch da, aber all das Liebenswerte von farblicher und musikalischer Gestaltung ist nur angedeutet.

So zeigt dieses Werk Deine Mahnung, die auch an einigen Stellen in der Stadt sichtbar ist: Pass auf, Köln, dass Du die Liebenswürdigkeit Deiner Stadt nicht endgültig verlierst in deinem Bemühen, all das objektiv-praktische anzubieten. Wenn der Charakter der Stadt verloren ist, braucht man vielleicht gar nicht mehr so viele Wohnungen, wer weiß?

So bleibt mir nur, Dir, Thomas, herzlich zu danken dafür, dass Du uns immer wieder Anregungen schenkst, über Themen der Zeit im Allgemeinen und im privaten neu nachzudenken. Als notorische Optimistin bin ich überzeugt, dass Du auf diesem Weg viele Menschen zum Nachdenken bringst und die Welt im Großen wie im Kleinen dadurch besser wird.

Ihnen, Herr Schöngeist und Herr Margaritis, danke ich, dass Sie uns hier die Gelegenheit bieten, den bildgewordenen Gedanken des Künstlers zu folgen, uns mit Ihnen auseinanderzusetzen.
Ihnen allen aber ein herzliches Dankeschön, dass Sie mir so lange zugehört haben!  

 

Maria Eicker

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