Eröffnungsrede von Maria Eicker
Spraywald & 40 Jahre Kunstbanane
Einführung in die Ausstellung, 24.3.2023
Lieber Thomas Baumgärtel, verehrte Gäste,
„Alles Banane, oder was?“ – Ein Spruch, mit dem seit Jahrzehnten Banales, Auswechselbares, Dummes – oft eher negativ – kommentiert wird. Wenn man mit offenen Augen durch Straßen geht, dann findet man immer wieder aufgesprühte Bananen an Fassaden. Am Ende der 1980er-Jahre stellte manch ein Eigentümer oder Besitzer eines Kunstortes Strafanzeige und sorgte dafür, dass das ungeliebte Zeichen verschwand. Die Angst vor dem Bananensprayer ging um.
Bald aber wurde klar, dass eine aufgesprühte Banane nicht als Beleidigung, sondern als Auszeichnung aufgefasst werden konnte. Ein schönes Beispiel ist die Strafanzeige wegen Sachbeschädigung, als Sie, Herr Baumgärtel, 1987 das Museum Ludwig mit einer Banane „angesprüht und beschädigt“ hatten – und gut zwei Jahre später der damalige Direktor des Museums, Dr. Siegfried Gohr, Sie in einem Schreiben bat: „suchen Sie sich bitte einen schönen Platz für Ihre Köln-Banane aus. Ich bin schon jetzt gespannt, Ihr Zeichen an unserem Hause zu sehen.“ (Katalog Baumgärtel 1996, Seiten 85 und 86). – Ich hoffe sehr, Sie sind für das Aufsprühen einer Banane schon lange nicht mehr angezeigt worden! Wir haben uns jedenfalls sehr gefreut, dass diese Galerie von Ihnen im Dezember des vorletzten Jahres mit „Ihrer“ Banane geadelt wurde (nachdem Sie angefragt hatten ). Damals durften wir im strömenden Regen beobachten, wie Sie mit mehreren Schablonen und Spraylack diesen Kunstort sichtbarer machten.
Es lässt sich viel über Bananen im Allgemeinen sagen, einer Frucht, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Westdeutschland preiswert zu kaufen und immer vorhanden war – doch weder über die Bedeutung der Frucht als Lebensmittel noch über ihre Situation im Klimawandel, auch nicht über ihr Sinnbild für Mangel und Überfluss im geteilten Deutschland möchte ich an dieser Stelle sprechen.
Es geht mir eher um das Verständnis, dass „Ihre“ Banane ein „Platzhalter“ ist für Kommentare und Bewertungen, nicht austauschbar und doch flexibel.
Das zeigt beispielsweise die „Volksbanane“ – ein Projekt aus 999 Holztafeln mit aufgesprühter Banane, bei der der Kunde den Text wählte, den Sie links neben der Banane aufschrieben, Texte, die durchaus divers sind. Einzelne Beispiele für dieses Projekt sind ausgestellt.
Oder die „Metamorphose der Spraybanane“, von denen wir hier in dieser Ausstellung Beispiele finden: Wenn aus der Banane der Bundesbananenadler wird – oder die Kölner Zuckerbanane (die an den Dom erinnert) – oder die Fußballbanane, die Schlangengurkenbanane – oder die Spraywaldbanane, mit der ja auch Sprache bzw. „Verstehen“ thematisiert wird (je nach Aussprache „Spray“ oder „Spree“) – dann wird schon deutlich, wozu Ihr Markenzeichen dient: Die Banane ist kein Selbstzweck, mit ihr kommentieren Sie, beziehen Position in Politik und Gesellschaft, mal ernst, mal karikierend, mal humorvoll.
Brandaktuell ist die „Banane im Buch“, die Sie erst vergangene Woche an der Kölner Zentralbibliothek angebracht haben. Sie ist ein Signal an die Stadt Köln, die Zusage einzuhalten, dass dieses Gebäude saniert und zukunftsfähig gemacht wird. Hoffentlich wird Ihre Arbeit richtig verstanden und in der Stadt und von der Öffentlichkeit gesehen und gehört!
In Ihrer Einladung zu dieser Ausstellung haben Sie auf diese neue Arbeit verwiesen und einen Bezug zum Abriss der Kunsthalle CAP Cologne e.V. auf dem Clouth-Areal hergestellt, in der Sie 16 Jahre gemeinsam mit 60 anderen Künstlern gearbeitet haben. Damals war Ihnen zugesichert worden, dass Sie nach der Sanierung (für die die Halle geräumt werden musste) wieder in die Halle einziehen könnten, die dann jedoch abgerissen wurde.
Von dem Gelände der ehemaligen Gummifabrik in Nippes stammen die beiden Metallwalzen, die Clouth Gummiwerke haben damals solche Walzen gummiert. Sie haben diese Walzen als Bildgrund genutzt: Die eine zeigt das Bild einer Mitarbeiterin mit der typischen Sprayer-Maske, ein wunderbares Portrait, die andere den Entwurf für ein leider nicht realisiertes Projekt (Phönix aus der Asche) am stillgelegten Hochofen Phönix West in Dortmund-Hörde. (2009)
Eher humorvoll kommen andere Werke daher, die bei genauerer Betrachtung unerwartete Gedanken auslösen: Sehen Sie (die Gäste) sich gleich mal Tim und Struppi an, wie kraftvoll und zielgerichtet der Kleine in seinem Körper laufen kann. In einem größeren farbigen Bild („Running Gag“) im Raum gegenüber sucht er seinen Weg durch den Dschungel der friedlosen Konsum-Moderne, und wir fragen uns, ob wir uns nicht auch gerne aus diesem Dschungel befreien möchten… Oder betrachten Sie das Heinzelmännchen, das wie eine Banane geschält werden könnte, endet doch die Mütze in einem Bananenstiel… - Schon merkwürdig, was diese Vorstellung alles an Gedanken, Bildern und Fragen an einen selbst auslöst!
Aufgrund ihrer Form kann die Banane auch phallisch gedeutet werden, was manche Werke provozieren: Im Werk „put in prison“, das den russischen Präsidenten im Sträflingsanzug zeigt, trägt Putin die Banane als schlaffe Zipfelmütze. Das große Plakat findet man seit April 2022 in der Aachener Straße in Köln (hier in der Galerie liegt ein Artikel über die Plakataktion aus). Und wenn man sich Adam und Eva anschaut, dann ist die Frucht der Verführung nicht etwa der Apfel, sondern eine Banane – die veraltete Bezeichnung dieser Frucht lautet „Paradiesfeige“… Haben wir die Erzählung von Adam und Eva im Paradies bisher vielleicht gar nicht richtig gelesen?
Für mich ist interessant, dass es in der Vergangenheit immer Versuche gab, die Kunst von Thomas Baumgärtel in eine Stil-Schublade zu stecken: Lassen sich seine Arbeiten ableiten von
Ich behaupte, dass Thomas Baumgärtel vor allem Konzeptkunst macht, denn es geht auf jeden Fall zuerst darum, eine Idee zu transportieren. Dafür bedient er sich nicht nur verschiedener Stile der Vergangenheit, die er weiterentwickelt, sondern auch verschiedener Materialien und Methoden: 4
Diese Vielfalt an Möglichkeiten, Kunst zu schaffen, treffen wir hier in der Ausstellung an.
Sie zeigt in den kleinen vorderen Räumen Kunstwerke, bei denen das Markenzeichen des „Bananensprayers“ gut erkennbar ist, einiges habe ich bereits angesprochen.
Haben Sie schon entdeckt, dass sich die Banane auch im Werk „Birken im Winter“ versteckt? Es ist im „Bananenpointillismus“ gearbeitet. Wenn Sie weit genug wegstehen, erkennen Sie das Motiv. Sind Sie dicht vor dem Bild, wird deutlich, dass es aus lauter gesprühten Bananenstielen besteht. Mithilfe der viele tausendmal angesetzten Bananenstiel-Schablone entsteht ein Bild, das den Wald als Kunstwerk auffasst: man kann ihn ansehen, sich aber nicht in den Wald hineinprojizieren, da die Bäume auf Nahsicht kaum erkennbar sind.
Andere Bilder bestehen aus gesprayten Bananen, dazu gehören die nebenan hängenden Früchtestillleben. Hier finden Sie auch das Werk CO2 von 2019: Ein leeres Ölfass, auf dessen rote Außenhaut in Bananengelb in regelmäßigen Abständen das Chemische Zeichen für Kohlenstoffdioxid, CO2, aufgesprüht wurde, in Großbuchstaben signiert vom Bananensprayer. Die starke Farbigkeit transportiert das Thema „Klimawandel“ eindrücklich, laut und ernst.
Auch hier in der Halle, im Spraywald, wird der Klimaschutz thematisiert, z.B. in den Werken, die die Bedeutung des Hambacher Forstes als lebendiger Wald betonen und dies in Gegensatz zum Kohleabbau stellen. Was ist, wenn der Wald nicht da ist, um CO2 zu absorbieren? („Landschaft“, 2021) Hoch aktuell sind die Aussagen der Übermalungen alter Meister mit dem Verweis darauf, dass sich die Erde nicht mehr als 1,5º über dem vorindustriellen Niveau 5 erwärmen darf, um schlimmste Auswirkungen für weite Teile der Erde zu vermeiden. Diese Werke zeigen Vergangenheit und Zukunft: alt und aktuell in Material, Methode, Motiv und Stil treffen sich hier und transportieren gemeinsam die Bildaussage.
Manche Auswirkungen des Klimawandels erleben wir seit Jahren, dazu zählt auch das „Totholz“ – ein Begriff, der deutlich macht, dass der Wert eines Baumes oder eines Waldes nicht mehr da ist. M.E. wird das mit den Werken auf wiederverwendeten, ursprünglich für andere Zwecke grob zusammengezimmerte Bildtafeln aus meist rohen Nadelholzbrettern gezeigt. Laut Bildlegende zeigen sie Wald, Bildmaterial und Darstellung korrespondieren. Die Arbeiten sind abstrahierend, sprechen den Betrachter aber unmittelbar an. Der schwarze Lack, mithilfe mehrerer Schablonen in unterschiedlicher Farbintensität aufgesprüht, triggert die Erinnerung an Waldspaziergänge in heute oft toten Wäldern.
Die älteren Schwarz-Weiß-Arbeiten nach Fotografien wirken dagegen fast ein wenig verträumt, durch den Verzicht auf Farbigkeit aber auch kühl. Die Farbe wurde in mehreren lasierenden Lagen aufgebracht, so entsteht der Eindruck eines diffusen Wetters. Ganz anders die farbigen Werke, oft Gemeinschaftsarbeiten von Thomas Baumgärtel und dem Werkstatt-Gefährten Harald Klemm. Zum Einsatz kommen Lochschablone, Spraylacke und Acrylfarbe auf Leinwand. Die durch die Verwendung der Lochschablone entstehenden Punkte erinnern an Pixel, damit scheint die abgebildete Natur in ihrer schönen Form und Farbigkeit nicht mehr zu sein als eine bildgewordene Erinnerung – so wie Fotografien…
Jüngere Arbeiten, Spraylack auf Papier oder auch Holz sind in Zusammenarbeit mit Nicole Meyer entstanden. Die für diese Werke verwendeten Schablonen zeigen organische Formen, die Farbigkeit feiert sowohl den Wald mit seinen „natürlichen“ Farben des Lichts als auch die Grundfarben, mit denen u.a. das Werk CMYK 1 gearbeitet wurde. (Standardfarbmodell der Drucktechnik: Cyan, Magenta, Yellow, Key).
Die Kunst von Thomas Baumgärtel thematisiert schwierige Fragen unserer Gegenwart, die Arbeiten wirken aber meistens fröhlich. Diese positive Grundhaltung führt dazu, dass man die Werke gerne betrachtet, sich auf ihre Aussage einlassen 6 kann. Das gilt auch für eine faszinierende Stadtlandschaft, die Sie am anderen Ende der Ausstellung finden: Die großformatige Darstellung des Rheinauhafens mit seinen Kranhäusern entstand auf der Rückseite einer Plakatwand, die von einer Ziegelmauer abgenommen wurde und die Struktur von Steinen und Fugen zeigt. Das Werk ist für mich der Kontrapunkt zu den Sprüh-Bildern des Nadelwaldes auf den wiederverwendeten Brettern. Das Alte, Historische hinterlässt seine Spuren, Neues entsteht. Dazu die Verortung in Köln, der Stadt, die uns im Bergischen (Um)Land ja auch lieb ist.
Und so sage ich Dank dem Künstler für seine Einmischung in den gesellschaftlichen Diskurs, aber auch dafür, dass er trotz aller schwierigen Erlebnisse mit und in Köln den Schriftzug Cologne mit Spraylack und Blattgold auf Leinwand gestaltet, vergoldet hat –
und Ihnen danke ich, dass Sie mir so geduldig zugehört haben.
Viel Freude beim Besuch der Ausstellung!
Maria Eicker M.A.