Eröffnungsrede von Maria Eicker
zur Ausstellungseröffnung in der 30works-Galerie am 14.1.2024
Lieber Thomas Baumgärtel,
lieber Gérard Margaritis,
sehr verehrte Gäste,
wie sieht’s aus: Ist alles Banane?
Was soll man darauf antworten, gerade hier in der Galerie, umgeben von – Bananenbildern…Wir sind praktisch groß geworden mit Bananen: Das gesunde Obst war überall, irgendwann sogar in der Sprache, um auszudrücken: Ja, das ist so in Ordnung – oder auch – Das ist doch wirklich egal, das ist so unwichtig, so banal, darüber braucht man gar nicht reden…
Und so frage ich mich, lieber Thomas, welche Deutung der Banane Dir im Sinn lag, als Du vor etwa 40 Jahren damit begonnen hast, Kulturorte mit einer Spraybanane zu kennzeichnen. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Da werden in einem Museum handgefertigte Einzelstücke ausgestellt, für die höchste Qualitätsansprüche gelten. Oder eine Galerie spricht mit ihrem Kunst-Angebot bewusst konservatives Publikum an, das jedes Graffiti als Sachbeschädigung versteht. Und Du kennzeichnest diese Orte mit einer, mithilfe von Schablonen gesprühten Banane!
Diese Spray-Banane ist Graffiti, ist Street Art, das heißt: sie gehört zur künstlerischen Gestaltung des öffentlichen Raumes, oft verbunden mit Kritik an Entscheidungen oder Verhalten der Gesellschaft und der Politik, wie wir besonders eindringlich an diversen Wandbildern auch in Köln ablesen können („Put in Prison“ (4/2022) in der Aachener Straße, „Die Rückeroberung der Stadt Köln durch die Künstler“ (2011) in der Marzellenstraße). Ähnliches gibt es auch für den Innenraum: Auf dem Werk neben dem Schaufenster erobert die Kunst – die Banane – den Dom. Gleichzeitig ist die Spraybanane in all ihrer Wandlungsfähigkeit ein autonomes Kunstwerk, wie man an den ausgestellten Werken hier sehen kann.
Graffiti, manche sagen Schablonenkunst, ist eine jüngere Form des Kunstschaffens und muss nach wie vor um Anerkennung auf dem Kunstmarkt kämpfen. In diesem Zusammenhang kann man fragen: Wer bestimmt eigentlich, was Kunst ist? – Ich bin der Auffassung, das bestimmt der Künstler. Doch es kann dauern, bis neue Kunst(-formen) anerkannt sind: Bis heute sind Graffitis auf vielen Kunstmessen nicht vertreten. Dabei behaupten sich diese Werke gut neben älteren Kunstwerken!
Wer schon Zeit gehabt hat, sich hier in der Ausstellung umzusehen, dem ist wahrscheinlich aufgefallen: Es gibt Werke ohne Bananenmotiv, wie den Spraywald oder Portraits, doch die überwiegende Mehrheit zeigt die gelbe Frucht in allen Variationen, keines ist wie das andere. Manches Motiv bezieht sich auf Comics: Sehen Sie hier, gleich neben dem Berliner Olympiastadion, präsentiert Charly Brown einen dicken gelben Stift: Es sieht so aus, als ob er gleich eine gelbe Banane malen möchte, oder? Im kleinen Raum gleich nebenan shippert Snoopy mit seinem Freund Woodstock in einer Banane, die Biene Maja mit ihren Bananenflügeln fliegt auf und davon, und Tim mit seinem gestählten Bananenkörper läuft mit Struppi um die Wette – hier allerdings heißen die Protagonisten Tom und Doggi. Ein blauer Schlumpf mit Bananenmütze grüßt fröhlich von der Wand – trotz unmittelbarer Nachbarschaft zur Totenkopfbanane.
Ganz aktuell ist die Nahost-Banane: Hier reichen sich – durch die entsprechenden Flaggen gekennzeichnet – Israel und Palästina die Hand. Für mich beschreibt die Darstellung nicht nur unsere Sehnsucht nach Frieden, sie beschreibt auch den schon seit Jahrzehnten wahrgenommenen Zustand: Palästina ist unten, Israel ist stärker, steht darüber…
Andere Bilder beschäftigen sich mit Künstlerkollegen: Die mit Nägeln gespickte Uecker-Banane erinnert an die dreidimensionalen Nagelreliefs Günther Ueckers, hier in 2D; oder sehen Sie die Mondrian-Banane, geformt aus den schwarz umrahmten Farbfeldern, mit denen der de-Styl-Künstler Anfang des 20. Jahrhunderts einen Weg in die abstrakte Kunst bahnte. Neu ist die Lilienbanane, bei deren Anblick sofort klar wird: Das ist ein Werk für eine Dame – und es stimmt: Die Idee zum Motiv, auf einen anderen Bildträger gesprüht, war für eine gute Bekannte entstanden.
Doch es dreht sich noch lange nicht alles um das Motiv! Die Vielfalt der Bildträger erstaunt: Sind Ihnen auch schon die Schaufeln hier aufgefallen? Kehrblech und Maurerkelle, Setzschaufel und Kinderschüppe – mal gebraucht, mal neu erstanden, in verschiedenen Materialien – tragen die schönsten Motive. „Weg mit der Wurst“ steht auf einem Kehrblech. Auf Schaufeln mit längerem Stiel formen zwei Bananen ein Herz oder das Friedenszeichen – ich bitte darum: Nicht zum Graben benutzen! Liebe und Frieden sind fragil und können sich bei zu viel Widerstand aufreiben… Was mich schmunzeln lässt: Ausgerechnet die kleinste Schaufel trägt das Dollar-Zeichen. Jetzt können wir philosophieren: Ist das Realismus, Bescheidenheit, eine Aufforderung, einfach praktisch gedacht? Würden doch viele Menschen gerne große Mengen Geld unangestrengt und schnell zusammenschaufeln…
Viele Motive sind auf abgerissene Plakatwand gesprüht: Direkt auf Mauerwerk geklebte Plakate, die immer wieder überklebt wurden, werden von Ziegelwänden abgerissen. Die Rückseite, die die Spuren des Mauerverbundes zeigt und häufig genug einen Blick auf kleine Ecken verschiedener überklebter Plakate ermöglicht, wird zum Bildträger, der damit eine eigene Geschichte zeigt.
Neu im Werk sind die Bilder auf Ziegelwand – wie nur sind die hierher transportiert und an die Wand gehängt worden??? Nun, Anfassen ist verboten, aber genaues Hinschauen nicht: Dann erkennen Sie, dass der Bildträger ein Ziegelwand-Imitat ist.
Für mich als Kunsthistorikerin kommt durch die goldgerahmte Ziegelwand die Größe des wahrscheinlich wichtigsten deutschen Künstlers des 20. Jahrhunderts, Joseph Beuys, besonders gut zur Geltung. An der Beuys-Banane hängt der Hut, ohne den man den Bildhauer, Maler, Aktionskünstler, Lehrer und Kunsttheoretiker eigentlich nie sah.
Daneben finden sich die Bananen-Metal Hand und das -Rolling Stones Logo. Dass dies wichtige Themen für den Künstler sind, kann man schon daran erkennen, dass diese großformatigen Werke mit barockisierenden vergoldeten Leisten gerahmt sind. Vermutlich haben die meisten von uns Musik im Ohr, wenn wir diese Werke sehen – und erinnern sich an das Bad in der Menge Gleichgesinnter auf einem Konzert.
Die Geschichte des Logos beginnt 1970, als der britische Grafikdesigner John Pasche die roten Lippen mit der roten Zunge für die Rolling Stones entwarf. Fortan wurde es das Erkennungszeichen für die Musik und die Haltung des Rock’n’Roll, der gegen das etablierte großbürgerliche Leben rebelliert. Heute ist es weit mehr, als ein Band-Logo: Es steht für eine Lebenshaltung, die das Etablierte hinterfragt, die leidenschaftlich und manchmal durchaus respektlos auf konservative, besser sagt man vielleicht, ewig gestrige Ansichten reagiert. Und damit ist es auch ein Symbol, das dem Street-Artisten Thomas Baumgärtel nahesteht: Mit Deiner Kunst, Thomas, kommentierst Du, machst mal fröhlich, oft aber auch provozierend auf Missstände aufmerksam. Beispielhaft möchte ich auf die Banane am Kreuz verweisen, mit der alles begann. Sie ist derzeit hoch aktuell, ist doch der Eindruck entstanden, dass manchem Entscheidungsträger in der Kirche Gottes die Aussagen desjenigen, der am Kreuz starb, „Banane“ zu sein scheinen… Andere Werke zeigen Deine Auseinandersetzung mit dem Kunstmarkt und mit Kulturpolitik; die von Dir meistens genutzte Kunstform der Graffiti gehört sicherlich zum Prozess der Auseinandersetzung dazu. Motivisch provoziert auch Deine Beschäftigung mit Pop Art: Banane und Comicfiguren sind alltägliche Gegenstände, die durch die Pop Art kunstwürdig wurden – bis heute gibt es Zeitgenossen, die dies ablehnen.
Wenn ich also auf meine Ausgangsfrage zurückkommen darf: Ist alles Banane? – Dann stimmen Sie mir hoffentlich zu: Die Banane ist ein wichtiges Motiv in der Kunst des Bananensprayers, die aber nicht banal ist, sondern Auseinandersetzung mit unserer Gesellschaft, mit unserer Welt – manchmal provokant, manchmal sehr ernst, oft aber zum Schmunzeln.
Ihnen allen wünsche ich viel Freude beim Besuch dieser Ausstellung!
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Maria Eicker