Eröffnungsrede von Frau Laugwitz-Aulbach 2017

Eröffnungsrede von Frau Laugwitz-Aulbach anlässlich der Eröffnung von Thomas Baumgärtels Einzelausstellung BUILDING BRIDGES in der Galerie 30works am 31.03.2017.

„Nur dem Menschen ist es, der Natur gegenüber, gegeben, zu binden und zu lösen, und zwar in der eigentümlichen Weise, dass eines immer die Voraussetzung des anderen ist. Indem wir aus der ungestörten Lagerung der natürlichen Dinge zwei herausgreifen, um sie als ´getrennt´zu bezeichnen, haben wir sie schon in unserem Bewusstsein aufeinander bezogen, haben diese beiden gemeinsam gegen das Dazwischenliegende abgehoben!

Und umgekehrt: Als verbunden empfinden wir nur, was wir erst irgendwie gegeneinander isoliert haben, die Dinge müssen erst außereinander sein, um miteinander zuwerden.“

Lieber Herr Baumgärtel, sehr geehrter Herr Margaritis, sehr verehrte Gäste, mit diesen Worten von Herrn Simmel, nicht von Johannes Mario wohlgemerkt, sondern von dem Philosophen Georg Simmel, der sich Anfang des 20. Jahrhunderts in seinem Essay „Brücke und Tür“ über die „Korrelation von Getrenntheit und Vereinigung“ als Merkmal der Brückenmetaphern tiefsinnige Gedanken machte, darf ich Sie ganz herzlich zu den „Building Bridges“ von Thomas Baumgärtel begrüssen! Denn heute, über 100 Jahre später (nach Georg Simmel), befinden wir uns in Köln in der Galerie 30works und feiern die Anschaulichkeit von Trennen und Verbinden.

Wir sehen sie mit unseren eigenen Augen, und wir sehen sie natürlich vor allem auch durch die Augen, durch die Hand des Künstlers. Durch das Werk von Thomas Baumgärtel und durch das Motto heute Abend „Building Bridges“.

Wenn Herr Baumgärtel sich mit seinem neuen Werkzyklus dafür ausspricht, Brücken zu bauen statt Mauern und – wie es ihm bereits früher gelungen ist – Symbole fest in unserem Kopf zu verankern, dann kann ich das nur aus tiefer Überzeugung befürworten. Ich denke, Sie alle können das auch und die Brücke ist die Metapher dafür schlechthin. Denn wir benötigen Symbole für offenen Austausch und ‚Brücken‘, über die wir aufeinander zugehen können. Nicht nur innerhalb einer Stadt, sondern vielleicht auch zwischen Kontinenten, zwischen denen bisher keine realen Brücken existieren. Herr Baumgärtel macht es möglich oder suggeriert dies sehr verlockend, wenn er hier im Ausstellungsraum die Hohenzollernbrücke und Berliner Brücke neben die Brooklyn Bridge hängt. Judith Klein schreibt zu dem künstlerischen Wert von Brücken: „Der so erklärte ästhetische Wert der Brücken darf nicht ihre artistischen Elemente vergessen machen. Man denke an eine der ersten Pariser Eisenbrücken, den reich dekorierten Pont Mirabeau, der 1896 eingeweiht wurde. An den Pfeilern erheben sich allegorische Figuren: die Stadt Paris, die Schifffahrt, der Handel, der Überfluss. Solche Ornamente und Skulpturen haben Anteil am ästhetischen Wert einer Brücke. Georg Simmel zufolge sind sie sogar „der erschöpfendste Ausdruck“ des „an sich unanschaulichen, seelischen oder metaphysischen Sinnes“, den die Brücken veranschaulichen. Wie auch immer der ästhetische Wert der Brücken begriffen und beschrieben wird, fest steht, dass die bildenden Künstler diesen Wert kennen und hoch schätzen. In der traditionellen Landschaftsmalerei Japans und Chinas sind die Brücken zahlreich, wenn es auch meist winzige Stege in gewaltigen Szenerien sind, eingebettet in einen Kosmos aus Nebelschwaden, Bergen und Bäumen, naturverflochten und filigran wie die Wasserläufe. Wird ihre Materialität betont, so, um die Materie der Landschaft nachzubilden und fortzusetzen, wie etwa auf dem Bild „Die Brücke am Wasserfall“; aus den Felsen wachsend, ist sie selbst Fels unter Felsen. Die Entgegensetzung von Kultur und Natur scheint aufgehoben.

In der europäischen Kunst wurden Brücken insbesondere in der Zeit des Impressionismus, Expressionismus und Kubismus zu Lieblingsobjekten der Maler. Manche, etwa Lyonel Feininger, bekannten sich ausdrücklich zu ihrer Vorliebe. Eine 1905 in Dresden gegründete Künstlergruppe gab sich den Namen „Die Brücke“, sei es, weil die beteiligten Künstler sich zum „Uferwechsel“ – zum Verlassen der Konventionen – entschlossen, sei es, weil sie von den Brücken Dresdens fasziniert waren.“

Was aber zeigt sich hier und heute? Herr Baumgärtel 2017 positioniert sich mit seinem außerordentlichen Geist, ich nenne es einmal „frei und weit“. Wie Brücken immer auch Orte für Street Art sind und Sie – lieber Herr Baumgärtel - diesen ‚Spirit‘ und diese Aura durch die Weiterbearbeitung von alten abgelösten Plakaten der Brückenpfeiler in den Galerieraum transportieren, motivisch aber noch von den Orten unseres realen urbanen Lebens sprechen, wird in Ihrem Ausstellungstext ganz wunderbar erläutert. Dabei tut sich eine weitere, sehr zeitgemäße, Verbindung zwischen eigentlich ‚weit entfernten Orten‘ auf: dem White Cube und der Street Art.

Der Kampf für die „Freiheit der Kunst“ ist von Beginn seiner Künstlerkarriere an d a s Thema der Malerei von Thomas Baumgärtel! Mal mit ironischen Usancen wie mit der Banane, die zum weltweiten Symbol für die Kritik am Kunstmarkt avancierte, mal mit drastischen Mitteln wie in seiner Holocaust-Werkreihe. Am überzeugendsten ist Thomas Baumgärtel immer dann, wenn er seine künstlerischen und gesellschaftskritischen Intentionen in gleichsam abstrahierende wie poetische Bildwelten kleidet, wo zu guter Letzt die reine Ästhetik und die handwerkliche Virtuosität über die Malaisen der Welt siegen. Dieses Anliegen spiegeln seine Inszenierungen berühmter Monumente wie der Hohenzollernbrücke, der Berliner Brücke und der Brooklyn Bridge wider. Mit ihrer verwaschenen Optik, flankiert von Unschärfen, die sich zum Hintergrund vertiefen, schafft Baumgärtel somnambule Architekturallegorien, die zwischen Romantik, Impressionismus und Fotorealismus oszillieren.

Des Künstlers eigener Weg zu intensivster Kreativität soll hier kurz skizziert sein:

Thomas Baumgärtel studierte von 1985 bis 1990 Freie Kunst an der ehemaligen Fachhochschule Köln (Meisterschüler bei Franz Dank). 1985 bis 1995 folgte ein Studium der Psychologie an der Universität zu Köln. Im Jahr 1986 markierte er zum ersten Mal einen Kunstort mit der Sprayb nane. Im Jahr 1996 gründete er mit 13 anderen Künstlern die Ateliergemeinschaft „CAP Cologne“. 1998 schuf er erste Spraygramme. Mit THITZ und M.S. Bastian schloss er sich zur Künstlergruppe „Könige der Herzen“ zusammen. Im darauffolgenden Jahr begannen die Gemeinschaftsarbeiten zur Deutschen Einheit mit Harald Klemm. Das Jahr 2000 markiert den Beginn des Vielfarbigen Bananenpointillismus sowie den Start der Zusammenarbeit mit Roland Specker für das Projekt für Berlin am Brandenburger Tor.

In Köln leistet Herr Gérard Margaritis mit seiner Galerie seit einigen Jahren ebenso einen beispielhaften ‚Brückenschlag‘ zur Urban Art Szene. Auch dafür Dank! Dem Hausherrn! Dass diese Szene in Köln sehr lebendig ist, verdanken wir der Arbeit von Herrn Baumgärtel, aber auch dem Festival CityLeaks, welches alle zwei Jahre ein Programm in wechselnden Stadtvierteln von Köln organisiert und internationale Künstler nach Köln holt. Von ihnen wurden 2015 Fassaden in Mülheim gestaltet und diesen Herbst 2017wird das CityLeaks-Festival im Eigelsteinviertel neue visuelle Impulse im öffentlichen Raum setzen. Angekommen ist die Street Art aber auch schon im Museum, wie es das MUCA in München und das im Bau befindliche „Street Art Museum“ in Berlin Schöneberg demonstrieren. In Berlin wird es nicht zuletzt darum gehen, etwas zu dokumentieren, bei dem die Vergänglichkeit Teil des Projektes war. Wie wird das gehen? Und findet man dafür nun ganz neue Formen? Darauf sind wir gespannt. Denn wenn es immer weniger Mauern gibt –in Berlin und anderswo – dann wird auch die „Urban Art“ neue Wege suchen und ....- finden.

Nun aber wollen wir uns direkt Thomas Baumgärtel und seiner faszinierenden Kunst zuwenden. Und da einem Sprichwort nach „Wünsche die beachtlichsten Brückenbauer und die mutigsten Begeher sind“, soll es ein anregender Abend werden mit Brücken von und zu dem Künstler Thomas Baumgärtel! Vielen Dank!

Susanne Laugwitz-Aulbach, Kulturdezernentin der Stadt Köln

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