Eröffnungsrede von Dr. Heike Staufen
Banana Facts
Thomas Baumgärtel & Marcin Berdyszak in der Galerie K, Staufen
Einführung zur Vernissage am 31.01.2020
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Kunstfreunde,
herzlich willkommen in der Ausstellung, die den wunderbar ambivalenten Titel Banana Facts trägt. Was auf den ersten Blick humorvoll und vielleicht sogar ein we- lapidar klingt, entpuppt sich auf den zweiten Blick als tiefgründig, kritisch, sa tirisch. Es ist eine höchst nachdenkliche Ausstellung, wie Sie gleich sehen werden. Hier ist nichts vordergründig, und nichts ist „banane“! Zu Gast sind der Kölner Künstler Thomas Baumgärtel, alias „Der Bananensprayer“, und Marcin Berdyszak, Kunstprofessor aus Posen in Polen.
Thomas Baumgärtel hat in Köln Freie Kunst und Diplom-Psychologie studiert. Sein erstes Bananen-Werk hat er 1983 während seiner Zivildienstzeit in einem katholischen Krankenhaus gefertigt. Über jedem Krankenbett hing ein Kruzifix, „als wären die Patienten schon gestorben“. Als eines dieser Kruzifixe einmal auf den Boden fiel und die Porzellan-Jesusfigur zerbrach, hat er die Scherben weggekehrt und stattdessen seine geschälte Frühstücksbanane auf die Nägel gedruckt: „Das kam gut an!“. An diesem Tag habe er beschlossen, Künstler zu werden, wie er mir erzählte. Er hat das Kreuz noch – es sei sein wertvollstes Kunstobjekt. Seit 1986 markiert er weltweit Kunstorte seiner Wahl mit seiner berühmten Spray-Banane. Heute gilt er als einer der wichtigsten Künstler der internationalen Urban Art.
Marcin Berdyszak hat in Posen Malerei und Bildhauerei studiert und hat seit 2005 eine Professur für Bildende Kunst an der Kunstakademie (seit 2010 Universität) in Posen inne. Dort war er auch mehrere Jahre als Rektor tätig. Er bekleidete außer- dem eine Professur am Institut für Gestaltung der Technischen Universität in Köslin. Für beide Künstler ist die Banane das Ausdrucksmittel ihrer Wahl – ein Motiv, das untrennbar mit ihrer künstlerischen Identität verbunden ist. In dem Interview, das Sie in dem ausliegenden Katalog in the meantime finden, bezeichnet Marcin Berdyszak eine seiner Arbeiten als Stereotyp, das für sein gesamtes Schaffen steht: Er hat einen Kunstharzabguss von sich selbst gemacht und dieses lebensgroße, dreidimensionale Selbstporträt (mit gelber Plastikbanane in der Hosentasche) vor eine fünf Meter lange schwarze Banane gestellt (Organic Contemplation, 2003). Er charakterisiert dieses Werk wie folgt: „Die Pose, die ich eingenommen habe, teils respektvoll, teils nachdenklich, und die Frucht meines Nachdenkens, die Riesenbana- ne, wie ein schwarzes, düsteres Gemälde.“ Es ist eine ironische Selbstbetrachtung mit der Banane als Frucht seines Nachdenkens. Es geht um seine und unsere Identität, um die menschliche Existenz und um ihre Abgründe.
Black Mail (2012) heißt die zentrale Arbeit von Marcin Berdyszak in dieser Ausstellung. 100 Bananen sind sorgfältig aufgereiht und von einer zarten Linie in den Konturen eines Briefumschlags umrahmt. Auf den zweiten Blick wird sichtbar, dass die Linie aus Stacheldraht und die Bananen aus militärischem Tarnstoff gehüllt sind. Der Begriff Black Mail – Schwarze Post – bezieht sich auf offizielle Briefe, vor denen man Angst hat, die einen bösen Inhalt haben können. Wenn das Militär einen solchen Brief an die Familie schickt, kann es sich um einen Einberufungsbescheid handeln, oder um eine Todesmitteilung von der Front. Es sind Briefe, die das Leben verändern.
Der Tarnstoff ist heller als der bei uns gebräuchliche, er wird in Afrika eingesetzt oder im Nahen Osten, überall, wo der Boden sandiger ist als bei uns, und wo Krieg herrscht. Stacheldraht kann einen Schutzzaun darstellen, aber er verkörpert auch eine Abwehr, und er ist ein Ausdruck von Aggressivität. Im Gespräch erläuterte der Künstler, dass Grenzziehungen ohne Rücksicht auf die regionalen kulturellen Tradi- tionen erfolgen und somit Unfrieden schaffen, dass sie fatalerweise aber in unserer globalisierten Gesellschaft akzeptiert werden. „Die Saat geht auf“, hat er gesagt, „und das ist dumm.“ Und noch ein Aspekt hat seine Aufmerksamkeit geweckt: Tarnanzüge weisen ein künstliches Muster auf, das den Farben und Formen der Na- tur nachempfunden ist. Nur zum Schein wird man darin Teil der Natur, tatsächlich geht es darum, unsichtbar zu werden. Und wir wissen es inzwischen: Mit den Bananen sind auch wir gemeint. Der Mensch an sich.
Die Bananenfarben Gelb und Schwarz dominieren die Ausstellung. Dabei ist der Bananenstil gar nicht schwarz, bei einer frischen Banane ist auch er gelb, nur wird er eben als erstes schwarz, wenn die Banane überreif wird. Die Farben symbolisieren folglich einerseits das gesunde, frische Leben (Gelb) und andererseits den Zersetzungsprozess und letztlich den Tod (Schwarz).
In der Malerei Neither real norimaged (2017) kommt Weiß hinzu, und während die eingearbeiteten Bananen auf dem weißen Feld gelb und frisch sind, sind die Bananen auf dem schwarzen Feld der Vergänglichkeit preisgegeben. Weiß steht im Werk von Marcin Berdyszak für die Hygiene, für die Reinlichkeit, die den Menschen vor Krankheit und Tod schützt, die aber auch einen starken psychologischen Aspekt hat, indem sie Distanz schafft. Wir brauchen sie, wenn wir am Leben bleiben wollen, sagt er.
Werfen wir noch einen kurzen Blick auf das Werk daneben: Fuge und Toccata (2018) spielt auf das gleichnamige bekannte Orgelkonzert von Johann Sebastian Bach an. Das Ordnungsschema der „Fuge“ findet sich in den dargestellten Mauerfugen wieder, während sich vor dieser tiefschwarzen Mauer ein variantenreiches Spiel der gelben Bananen entfaltet. Sie sind teils gemalt, teils aus Plastik – alles nur eine Illusion? Die Illusion ersetzt die Realität ganz oder teilweise, die Bedeutungsebenen vermischen sich. Marcin Berdyszak warnt mit Blick auf die Social Media und die digitale Technik insgesamt: „Illusionen werden unser Leben im 21. Jahrhundert be- stimmen.“
Die Symbolik, die Sie in den drei genannten Werken finden, den kritischen Blick auf die Gesellschaft und die Ironie, die unweigerlich durch die Bananen hinzukommt, prägen alle Werke von Marcin Berdyszak in dieser Ausstellung.
Auch Thomas Baumgärtel nimmt in seinen Werken unverkennbar die gesellschaftlichen Entwicklungen bzw. Fehl-Entwicklungen ins Visier. Seine Friedensfahne wirkt nur auf den ersten Blick freundlich: Vier Begriffe und eine Friedenstaube hat er plakativ auf Fahnenstoff gesprüht: Freiheit – Einheit – Demokratie – Menschenrechte, jeweils umrahmt von dem gelben Sternenkreis, der auf der EU-Flagge die Ein- heit der Völker Europas symbolisiert. Die vier Begriffe repräsentieren die Grundfesten unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft. Aber die Taube ist unverkennbar aus einer Banane geformt, und ihr rechter Flügel geht in den schwarzen Bananenstiel über. Dieses irritierende Stiel-Motiv findet sich in zahlreichen seiner Werke wieder, und spielt dabei mit widersprüchlichen Bedeutungen. Oftmals erinnert die Form an eine Hand, oder an eine Kleinwaffe. Die Deutungshoheit bleibt dabei dem Betrachter überlassen. Europe for peace heißt das Werk (2019). Das Flaggenmotiv stellt, und das ist bezeichnend für alle Werke in dieser Ausstellung, keine Zusammenhänge her, liefert keine vorgefertigte Meinung, sondern es hinter- fragt vielmehr Zusammenhänge.
Beide Künstler spielen mit der Ambivalenz widersprüchlicher Bedeutungen, greifen ganz konkret zur Banane und schaffen Banana-Facts, die letztlich Aussagen zu zentralen gesellschaftlichen Entwicklungen und zu den großen Fragen der Politik liefern.
Die Queen hat ein blaues Auge davongetragen (Stay, 2019). Erst haben sich Harry und Meghan aus dem Kreis der Royals verabschiedet (was Thomas Baumgärtel allerdings noch nicht wissen konnte, als er das königliche Portrait erstellte), und just heute, am 31. Januar, tritt um Mitternacht Großbritannien aus der EU aus. Der in dem Werk geäußerte Wunsch „Stay!“ sollte nicht in Erfüllung gehen. Baumgärtel hat die Queen repräsentativ vor der Nationalflagge dargestellt und ihr – wie sollte es anders sein – eine Bananenkrone aufgesetzt. Ein paar gelbgoldene Sternchen haben sich noch auf die blauen Felder verirrt.
Ein anderes despektierliches Portrait hängt unübersehbar im großen Saal: Trump, wie er in einem Affenkopf-ähnlichen Profil eine Banane im Mund hat (USAPE, 2017). Baumgärtel hat diese Arbeit gestaltet, bevor Trump zum Präsidenten gewählt wur- de. „Ich will immer Wirkung erzeugen“, sagt er, und eckt erwartungsgemäß an. Dieses Bild – zweifellos eines seiner prominentesten – rief Twitter auf den Plan, wo er es in einem seiner Tweets veröffentlicht hatte. Der Kurznachrichtendienst unter- sagte 2017 die weitere Verbreitung über Twitter-Anzeigekampagnen, unter Hinweis auf Richtlinien zu „Hass, heikle Themen und Gewalt“ (Handelsblatt vom 23.01.2017). Vor dem Hintergrund der Tweets, die Präsident Trump seit seinem Amtsantritt selbst verbreitet, erscheint dieses Verbot, das sich gegen die Kunst und die Satire richtet, zynisch. Baumgärtels Kunst ist immer politisch. „Wie kann man sich in dieser populistischen Zeit dazu nicht künstlerisch äußern?“ fragt er.
In all dem spielt die Banane eine zentrale Rolle. Warum? Für Thomas Baumgärtel symbolisiert sie unsere westliche Wohlstandsgesellschaft. Beide Künstler wissen viel
über die Banane zu berichten. Adenauer hatte verfügt, dass Deutschland als einziges Land zollfrei Bananen einführen konnte. So waren diese exotischen Früchte in der Zeit des Wirtschaftswunders allgegenwärtig, sie standen für Wohlstand, Reichtum und Überfluss. Bis heute ist die Banane weltweit ein hoch politisches Handels- gut, ihr Preis bestimmt in vielen Ländern Asiens und Afrikas als Grundnahrungsmit- tel unmittelbar über Hunger.
Marcin Berdyszak ist in einem Polen aufgewachsen, in dem die Banane ein fernes Luxusgut war, und so war die Südfrucht Gegenstand seiner Sehnsüchte. Mit dem politischen und wirtschaftlichen Systemwechsel änderte sich das schlagartig: Polen wurde gleichzeitig von Südfrüchten und ironischerweise von Plastikfrüchten über- schwemmt, allen voran die Banane. Eine Plastikbanane verrottet augenscheinlich nicht, aber sie ist auch nicht echt, sie ist nur eine Illusion, und sie zerstörte seine Sehnsucht nach echten Bananen. Für Berdyszak verkörpert sie den totalen Werte- verfall und letztlich die Sinnlosigkeit unseres Handelns: „Sie ist nichts.“ Also alles „banane“ – auch wenn es diesen Begriff so im Polnischen nicht gibt.
Die Banane ist aber auch ein Symbol für die Freiheit und als Ikone des Post-Pop für die Freiheit der Kunst. Im April vergangenen Jahres ließ der Direktor des Warschau- er Nationalmuseums nach einer entsprechenden Aufforderung des Kulturministeriums eine Bildserie der polnischen Künstlerin Natalia LL (Natalia Lachowicz) abhängen, weil sie zu obszön sei. Dabei war die Serie Consumer Art (1973) dort bereits seit sechs Jahren ausgestellt. Darin hat sich die Künstlerin selbst inszeniert, wie sie lasziv-genussvoll eine Banane isst. Gegen diese Zensur formierte sich über die Sozialen Netzwerke breiter Protest: Unter #BananaGate posteten Künstler, Schauspieler und andere polnische Bürger/innen Bilder von sich und einer Banane, und aßen demonstrativ Bananen vor dem Museum. Marcin Berdyszak widmete der Künstlerin eine Bananen-Wandarbeit. Der Protest zeigte Wirkung, und die Werke konnten zu- mindest vorübergehend wieder gezeigt werden. (Zensur im Museum, in: Stern, 30. April 2019)
Abschließend noch ein Wort zu der Leinwand-Arbeit mit dem Titel Liegende Nymphe (2012) von Thomas Baumgärtel: Auch bei dieser Serie handelt es sich um Schablonen-Sprayarbeiten. Dabei ist jeder Rasterpunkt in der Form seines typischen Bananenstiels manuell aufgetragen worden, in den vier Druckfarben Gelb, Magenta, Cyan und Schwarz, in lasierendem oder in kräftigem Farbauftrag. Diese Technik, die er als „Bananen-Pointillismus“ bezeichnet, ist extrem aufwändig, mit bis zu 20.000 Rasterpunkten bzw. -stielen in einem Bild. Auf diese Weise führt er Bildwelten der Kunstgeschichte von digitalen Bilddateien in ironischer Weise wieder zurück in Malerei.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, vieles wäre noch zu sagen, vielleicht möchten Sie noch den ein oder anderen Blick in die ausliegenden, opulenten Kataloge werfen. Ihnen wird es nach dem Besuch der Ausstellung nicht anders gehen als mir: Sie werden einen anderen Blick auf Bananen haben. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Heike Piehler