Eröffnungsrede von Dr. Michael Euler-Schmidt

Thomas Baumgärtel – Malerei und Sprüharbeiten 
Kölnisches Stadtmuseum, am 31. August 2012 – Marburger Kunstverein

(Es gilt das gesprochene Wort) 

Sehr geehrter Herr Dr. Pätzold,
lieber Thomas Baumgärtel, Freundinnen und Freunde des Marburger Kunstvereins: 

„Marburg hat jetzt Bananen!“.
Als ich 1997 den „Bananesprayer“ Thomas Baumgärtel in der Kölnischen Galerie des Kölnischen Stadtmuseums mit einer Einzelausstellung präsentierte, war dies seine erste Ausstellung überhaupt in einem Kölner Museum und dafür bekam ich aus der Kölner Kulturpolitik nicht nur Freudenschreie zu hören. 
Aber der „Kölnische Planet“ ist nun mal eben einzig aber manchmal auch nicht artig und deshalb passt dieser Künstler auch so gut in diese Stadt am Rhein. „Von hier aus“ begann 1986 seine weltweite Bananen-sprayaktion. Doch zunächst empfand man dieses Symbol als Beschmutzung von Tür und Wand. Es hagelte Anzeigen wegen Sachbeschädigung, denn die Bananen galten als Graffiti ohne Kunstcharakter und damit – juristisch gesehen – als Eigentumsbeschädigung. 

Erst allmählich begriffen Museumsdirektoren und Galeristen, dass mit dieser Banane dem Kunstsuchenden der rechte Weg zu weisen war. (Beachten Sie bitte den oberen – schwarzen – Teil der Schablonen-Banane). Andererseits aber war die Baumgärtel`sche Banane in der Lage, den allgemeinen Kunstbegriff in Frage zu stellen. 
Er selbst hat dazu einmal formuliert: „Das winzige, triviale Objekt Spray-Banane ist sowohl Projektionsfläche als auch Spiegelung einer Gesellschaft, die Kunst als Gebrauchsartikel betrachtet. Der Kunstbetrieb erhält in dieser Gesellschaft ein Zeichen.“ 

Dass Bananen etwas mit dem realen Leben zu tun haben, das erkannte bereits der Kölner Psychologe Prof. Wilhelm Salber, einer der Lehrer von Thomas Baumgärtel.
Und dies lohnt einen kurzen historischen Exkurs:
So lernten die Deutschen die Banane erstmals 1892 kennen und während der 30er Jahre des 20. Jh. wur- den in Deutschland Personen von Nazis auch als Reichsbananenführer tituliert. Ab 1949 durften die Deutschen wieder Bananen essen. Konrad Adenauer legte gar 1958 bei der EWG-Vertragsunterzeichnung in Rom größten Wert auf die Sicherung des zollfreien Imports von Dollar-Bananen. Vermutlich wusste der Altkanzler, dass die Banane durch den hohen Anteil von Serotonin, streßabbauend ist und sozial intelligent macht. 

Auch kunsthistorisch hat die Banane ihre Geschichten, erinnert sei hier an Andy Warhol, der sie als Kunst- Objekt in die Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt hat – oder an den Maler Giorgio de Chirico, der sie schon 1913 auf einem Stillleben darstellte.
Derjenige, der die „Bananenkunstgeschichte“ dann aber mit nicht vergleichbarer Konsequenz weiter geschrieben hat, das ist Thomas Baumgärtel. „Alles ist Banane“ jedes Objekt, jedes Bild, jede Grafik: die Schablonen sind längst zum Pinselersatz geworden. 

Es ist gerade diese Ausstellung hier in Marburg, die Thomas Baumgärtels künstlerische Entwicklung bemerkenswert nachzeichnet und belegt, dass die Banane heute bei ihm nicht mehr Einzelsymbol ist.
So entstanden um 1990 erste Außengemälde und Außenplastiken.111 Bananen am Turm der damaligen Kölner Werkschulen verweisen noch heute auf das Jubiläum der Baumgärtelschen Kunstschule im Jahr 1989.
Die hier gezeigte achtteilige Arbeit, ein Bananenhaufen von 1990, nimmt darauf Bezug und jede einzelne Banane steht für einen Kunstort und den Kunstmarkt. 

Längst hatte er aber da „Die Metamorphose der Kölnbanane“ 1987 gemalt und er hat sie mit fast 175 Motiven als „Bildhaftes Tagebuch“ konsequent weitergeführt. 
Ab 1994 ist sein Weg zum Bild besonders stark spürbar. Unter dem Titel „Die alten Meister und die Banane“ findet man diese Frucht hineinkomponiert in Bilder, die Kunstgeschichte geschrieben haben.
Mitte der 90iger Jahre schafft er mit seinem Bilderzyklus „Nie wieder Krieg nur noch Bananen“ den Weg hin zur reinen Malerei eben mit Bananenschablonen. Aber die Farbigkeit ist immer noch reduziert auf schwarz und gelb, im Vordergrund steht das Abgebildete, ob nun der Kölner Dom, der Gegenstand oder der Mensch, so wie die Abbildung auf der Einladung zur heutigen Eröffnung: „Boucher“ von 1998. 

Der Begriff des „Bananenpointillismus“ setzte sich damals für sein Arbeiten durch. Dieser bedeutete bei ihm aber keinen Stillstand, denn experimentierfreudig war Baumgärtel schon immer gewesen. Er nennt es „Drehungen“ wenn wieder einmal etwas mit der Banane passiert. 

Nach der Jahrtausendwende entdeckt er die Farbe mit Früchtestillleben und erinnerte sich so an seinen Lehrer an den Kölner Werkschulen, Franz Dank.
Rasch verwarf er diese Idee und stürzte sich in ein anderes Extrem, die sogenannte „graue Serie“. Großformate auf der Basis einer Fotografie mit denen er die Stadtlandschaft Kölns genauso wie Personen abarbeitet und Zustandsprotokolle fertigt. Ganz verhalten kommt in diesen schwarz/grauen Bildern sein Bananengelb dann auch zur Sprache. 

Immer wieder stellt man sich die Frage: Handelt es sich hier um Graffiti, oder ist es wirkliche Malerei, etwa eine Malerei des großen Widerspruchs, eines Widerspruchs den Baumgärtel von Anfang an gesucht hat? 
2010 dann doch wieder Farbe, jetzt aber Stillleben in Anlehnung an Alte Meister, ganz klassisch und die Clementine oder der Apfel ist ganz Banane. Gerade erst hat er in Aachen zu diesem Werkkomplex die Ausstellung „Früchtchen“ eröffnet.
Kommen wir nun zur vielleicht immer noch nicht letzten „Drehung“ im vielschichtigen Oeuvre des Thomas Baumgärtel. Aktuell gibt es Bilder die aus einer Vielzahl von Bananestielen entstehen. Ähnlich wie bei einem Offsetdruck mischen sich die Farben aus vier Schichten: Cyan, Magenta, Gelb und Schwarz.
Mit 20.000 vom Künstler handgesprühten Bananenstielen muss man schon auf den Bildern rechnen und Sie alle können dies hier und heute in der Ausstellung nachprüfen. 

Nachprüfen kann man aber auch in dieser Werkschau den Aktionisten und Provokateur Baumgärtel. Projektfotos auf Leinwand gedruckt, als Computercollage: z.B. das noch nicht ausgeführte Projekt „Branden- burger Tor“ oder die 1998 ausgeführte Aktion mit einer 14 Meter großen Bananenskulptur am bzw. halb im Hauptportal des Kölner Doms. 

Und damit wären wir wieder am Anfang der „Bananenkunstgeschichte“, denn wie ein gelb/schwarzer Faden zieht sich seine Auseinandersetzung mit der Institution Kirche durch sein Oeuvre.
Alles begann 1983, als der Zivi Baumgärtel in einem katholischen Krankenhaus ein heruntergefallenes Kreuz „erneuerte“ indem er den kaputten Jesus durch eine angenagelte Bananenschale ersetzte. 
Über ein Vierteljahrhundert gibt es nun seine Kunst. Nicht nur in Köln wird er geliebt, verehrt und kontrovers diskutiert. 

Er ist präsent wie nie zuvor. Vermutlich orientiert er sich – wie übrigens viele Kölner – an dem Leitsatz von um 1830: „Makrobiotik, oder die Kunst in Köln lange zu leben“. 

Dr. Michael Euler-Schmidt, Köln 


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