Eröffnungsrede von Anke Holgersson

Rede für die Eröffnung der Ausstellung „Baumgärtel in Leverkusen“ 
Samstag, 20. April 2024, 16h, Buchbinderei Lang 

 


Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Liebe Familie Lang,
Lieber Thomas Baumgärtel,
liebe Gäste, 

es ist mir eine große Ehre und ich freue mich sehr darüber, dass sich die Familie Lang gewünscht hat, dass ich Ihnen heute ein wenig über die Arbeitsweise von Thomas Baumgärtel und über die Werke dieser Ausstellung erzähle. 

Einige Gedanken zur Banane, der Protagonistin Baumgärtels. Sie hat eine Knallerfarbe, ein Superdesign und ist aufgeladen mit jeder Menge Assoziationen. Sie ist also perfekt für die künstlerische Auseinandersetzung auf vielerlei Ebenen.
Die vordergründigsten Bananen-Assoziationen haben mit ihrer Form zu tun und machen aus ihr ein Phallus-Symbol. Das nutzte zum Beispiel die polnische Konzeptkünstlerin Natalia LL. In den 1970er Jahren schafft die Künstlerin Natalia LL Ikonen der feministischen Bildproduktion: Die Werkreihe "Consumer Art" zeigt Bilder von jungen Frauen, die genussvoll Bananen, Würste oder Eiscreme verspeisen. Sie bedient dabei nicht voyeuristische ausbeuterische Phantasien, sondern führt sie in einem selbstbewussten feministischen Aneignungsakt vor. Auch die britische Künstlerin Sarah Lucas macht 1990 in „Eating a Banana“ durch einen inszenierten Blick in die Kamera den Verzehr einer Banane zu einem pornografischen und gleichzeitig feministischen Akt.
Die Banane kann noch mehr. Sie vermag das Grausam-Patriarchalische aufzuzeigen und gleichzeitig ironisch zu brechen, also zu kritisieren. Ein Beispiel ist das Wandbild des berühmten Sprayers Banksy, der den beiden Antihelden aus Quentin Tarrantinos Roadmovie „Pulp Fiction“ in seiner Arbeit Bananen statt Pistolen in die Hand drückt.
Die Banane steht auch für das Exotische. Sie taucht in Europa spät erst in der Kunstwelt auf. Wahrscheinlich ist es Paul Gauguin, der ihr ihren ersten Auftritt verschafft. In „Die Mahlzeit“ macht er 1891 eine Bananenstaude zu einem Teil seines Stillebens. Auf den europäischen Speiseplan gelangt die Banane erst in den 1920er Jahren. Bis dahin war sie kaum bekannt, was den langen Transportwegen geschuldet ist. Ihren absoluten Durchbruch feierte die Banane mit Andy Warhols Siebdruck-Cover, das er für Velvet Underground und Nico gestaltet hatte.
Die Banane ist das Triviale und gleichzeitig auch dessen Karikatur. Sie ist U- und E-Kultur. Oder wie Thomas Baumgärtel es ausdrückt: „Die Banane steht für Lebensfreude und eine fruchtbare Kunst.“ 

Aber eben auch für so viel mehr. Das künstlerische Schaffen von Thomas Baumgärtel scheint jeden Moment vielfältiger zu werden. Der künstlerische Urgedanke ist reine Street-Art, die Sprayaktion des anonymisierten „Bananensprayers“, der zu Beginn ständig fürchten musste, verklagt zu werden und auch tatsächlich in München einmal im Gefängnis landete. Diese Zeiten sind lang vorbei. Schon 1995 bezeichnete Susanne Meyer vom Sprengler Museum in Hannover Baumgärtels Aktion als „das bekannteste Kunstprojekt Deutschlands“. Und tatsächlich hatte schon 1993 die New York Times über die gesprayten Bananen geschrieben: „It’s the best sign of change.“ 

Baumgärtel drehte mit seinen Bananen die Machtverhältnisse des Kunstmarktes tatsächlich um. Nicht er wird ausgezeichnet. Sondern er zeichnet aus. „Einen Rorschachtest für die Kunstwelt“ hat er seinen Ansatz einmal genannt: Die Banane ist immer die gleiche. Aber was wird darin gesehen? Jedenfalls nichts, das mit ihm zu tun hätte. 
Die Banane ist zu finden an weit über 4000 berühmten Museen und Galerien auf der ganzen Welt. 

Die künstlerischen Arbeiten Baumgärtels umfassen so viel mehr, wie Sie heute in dieser fantastischen Ausstellung sehen können: Baumgärtel sprüht auf Leinwand oder Plakatwand oder andere Untergründe und macht dabei politische Statements, wie in dem Werk „Put in Prison“ von 2022, in dem er den Diktator Putin inhaftiert. Oder in seinem gerade erst entstandenen Werk „Palästina“, Sprühlack auf einer Schulwandkarte, in dem er zu einer friedlichen Lösung aufruft. 

„An der Freiheit der Künstler bemisst sich die Demokratie eines Landes“ ist Baumgärtels Credo. Und er macht zum Glück reichlich davon Gebrauch, bezieht im Weltgeschehen Stellung gegen Diktatoren wie Erdogan (ihm schiebt er die Banane in den Allerwertesten), und auf lokaler Ebene setzt er sich für die Sanierung der Kölner Zentralbibliothek am Neumarkt ein. Eine Banane im Buch entsteht und wird auf die Außenwand des Gebäudes gesprüht. Es ist übrigens das Motiv, das Sie auch auf der Einladung zu dieser Ausstellung finden. 

Zu sehen in dieser Werkschau ist weiterhin zum Beispiel die Arbeit „Beuysbanane“ von 2023, Spraylack auf Mauerimitat, ein großformatiges Bild, mit dem er Urban Art ins Innere holt und damit gleichzeitig auf einer der vielen Metaebenen der Arbeit seine eigene künstlerische Position befragt.
Eindrucksvoll auch die ebenfalls großformatige Arbeit "Wir lieben die Vereinigung", Spraylack/Acryl auf Nessel, von 2003. Hier ist die Spraybanane in der Dimension des Brandenburger Tores zu sehen. Es ist ein Traum von ihm, dieses „Modell“ eines Tages in die Tat umzusetzen.
Sie sehen weiterhin Grafiken, von denen nur zwei genannt werden sollen: Die Obsttüten, die er gemeinsam mit dem bekannten Tütenkünstler Thitz hergestellt hat. Und die phallische Eisbanane, deren Farben gerade erst getrocknet sind und die er gemeinsam mit Eliot M. Henning erstellt hat.
Außerdem finden wir hier zahlreiche Editionen, zum Beispiel aus der Reihe „Metamorphosen“ mit einer sich ständig wandelnden Banane, oder aus der Comicreihe mit Tim und Struppi oder der Maus. 

Das Werkverzeichnis von Baumgärtel kennt darüber hinaus Spraygramme, übersprühte alte Meister, Landschaften, Portraits, Früchtebilder, Objekte, Stadtlandschaften und sogar kinetische Arbeiten, die gemeinsam mit dem Kölner Künstler Peter Rademacher entstanden sind.
Und wir sehen immer und immer wieder das, was Wilhelm Salber einmal so treffend über das Werk von Baumgärtel bemerkte: „Nichts ist ‚eigentlich‘. Alles ist im Übergang – alles ist bananisch.“ 

Zum Schluss noch ein Blick zurück an den Anfang des Bananischen, weil es eine so gute Geschichte ist.
Auch Thomas Baumgärtel kennt natürlich schon zu Beginn seiner künstlerischen Tätigkeit den Steinbruch von Zuschreibungen, welche die Banane in der Kunst erhalten oder ausgedrückt hat. Allerdings scheint er mit frischem Blick an das Sujet heranzugehen. Warhol-Banane? Nein, sagt er im Interview. Er habe eher an seine eigene Geschichte gedacht, als er seine Bananenspray-Kunst als neue Stilrichtung zwischen Pop- und Urban Art entwickelt hat. Er erinnerte jenen Tag, als er den Nonnen in dem Krankenhaus, in dem er seinen Zivildienst ableistete, mal wieder einen Streich spielte. Ein Holzkreuz war heruntergefallen und Baumgärtel ersetzte die abgestürzte Jesusfigur mit der kunstvoll drapierten Schale seiner Frühstücksbanane. In diesem Moment hatte etwas in ihm entschieden: „Ich werde Künstler. Und nicht Arzt!“ (was der Plan der Eltern Baumgärtel gewesen wäre).

Das war 1983. Die Ur-Banane gibt es immer noch. Über 40 Jahre später hat sie sich – ich schätze mal ganz grob – vertausendfacht und unentbehrlich gemacht.
In Leverkusen gibt es mit dem heutigen Tag und der Auszeichnung dieses Hauses durch den Bananensprayer drei Kunstorte, die das Prädikat Banane besitzen: Das Museum Morsbroich und der Sensenhammer sind diejenigen Orte, an denen das Signet schon zu sehen ist.
Ich war neugierig und habe nach der Werkgeschichte in beiden Fällen gefragt. War Baumgärtel eingeladen worden? Oder war es am Ende eine eigenmächtige Auszeichnung. Hier die Antworten.
Dr. Fritz Emslander, der netterweise in der Geschichte des Museums Morsbroich nach der Entstehungsgeschichte der Bananen-Auszeichnung geforscht hat, teilte mir mit:
„Es gibt eine Banane neben dem Haupteingang, die schon Mitte der 1980er entstanden ist (als der damalige Direktor Rolf Wedewer und die Kuratoren Thomas Baumgärtel zwar schon kannten, aber die Hausmeister fast „gereinigt“ hätten…).

Später, 2006 ist neben dem Shopeingang noch eine zweite dazugekommen, ein kleines Bananen-Tier unten in der Sockelzone… Im Kontext einer vom Shop herausgegebenen Edition und eines „Bananenfests“, das die Shopdamen organisiert hatten“
Viele Grüße übrigens von Alice Steinebach vom Museumsshop: „Es sind noch 4 von 10 Exemplare der Bananen-Edition erhältlich.“ Und neue werden angekauft.
Jürgen Bandsom vom Sensenhammer schrieb, dass die Banane wohl vor vielen Jahren im Rahmen einer Ausstellung mit Thomas Baumgärtel ihren Weg an eine Wand des Industriemuseums gefunden hat. Sein Kommentar: „Wir haben uns gefreut“.
Vielen Dank für eine wirklich gute Ausstellung, die dank der Familie Lang hier in Leverkusen zu sehen ist.
Bleibt noch: Herzlichen Glückwunsch zum 60. Geburtstag des Familienunternehmens, das jetzt mit Katrin Böttcher in die dritte Generation geht. - Das war’s. Viel Spaß beim Selbstentdecken. 

 

Anke Holgersson

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