Der Reiz etwas Verbotenes zu tun

Der Reiz etwas Verbotenes zu tun.

Ziemlich gelassen und entspannt sieht Herr Baumgärtel aus, als er die Tür öffnet. Er trägt eine beige Stoffhose, dazu farbbekleckste Birkenstocksandalen und einen ausgefransten grauen Kapuzenpulli. Auch seine beige Kappe scheint schon einige Jahr auf dem Buckel zu haben. Genau so stellt man sich einen Künstler doch vor. Im großen, alten Fabrikgebäude am Mülheimer Hafen malt, zeichnet und sprayt Thomas Baumgärtel neue Kunstwerke. Sein Atelier hat unglaublich hohe Decken, auf der linken Seite sind riesige Regale, in denen sich bemalte und nicht bemalte Leinwände stapeln. Ähnlich wie bei einem eingebauten Hochbett führt über der Tür eine Treppe zur zweiten Etage, in der sich weitere Farbtuben und Leinwände auftürmen. Als Betrachter weiß man nicht genau ob man es als „Unordnung“ bezeichnen möchte, wichtig scheint für Baumgärtel zu sein, dass zumindest er den Durchblick behält. Unübersehbar thront an einer Wand ein gelb-schwarzer Adler in der Form des Bundeswappens.

Wer Thomas Baumgärtel und seine Werke kennt, weiß dass dieser Adler mit Absicht Gelb und Schwarz ist und bei genauerem hinsehen erkennt man, dass die Flügel des Adlers eine Banane darstellen sollen. Quietsch-gelb und mit schwarzer Umrandung streckt er seine rote Zunge heraus, fast so als wolle er einem Angst machen. Bei näherer Betrachtung entdeckt man weitere Bananen, mal formgetreu, mal verzerrt, mal in echt zum Reinbeißen auf dem Tisch und auch die Leiter zu einem der Regale ist in Bananenmuster gefärbt.

Für Thomas Baumgärtel fing die Liebe zur Malerei schon in der Schule an. „Damals habe ich mit Wasserfarbe und Zahnbürste kleine Spraygramme entworfen“, erzählt er stolz, während er immer wieder an seinem Kaffee nippt. Als hätte er die nächste Frage absehen können, lacht er als ich frage „ Warum eigentlich eine Banane?“. Vor 30 Jahren genau hatte er während seines Zivildienstes im Krankenhaus das Schlüsselerlebnis. Ihm fiel ein Kreuz auf, welches in einem der Zimmer hing. „Eines morgens habe ich dann spontan meine Frühstücksbanane daran aufgespießt“, erzählt er mit strahlenden Augen, während er sich ins Sofa fallen lässt. Die Krankenhausbesetzung war empört. Baumgärtel hingegen freute sich über die Wirkung, welche die Banane erzeugt hatte: „Dieses Bild hat mich in den Bann gezogen“. Also fing er an mit den Bananen zu experimentieren. Er packte sie in Kästen, ließ sie trocknen, verwesen, probierte alles aus. Viele an der Kölner Kunsthochschule nannten Ihn „der, der mit Bananen hantiert“.

Wie es allerdings genau zum Sprühen kam, kann er nicht genau sagen. Manchmal glaubt er, dass der Hip Hop, der in den 80er Jahren aus New York nach Deutschland überschwappte, was damit zu tun hat. „Hip Hop war genau meine Musik und Graffiti gehörte einfach dazu“, sagte er. Damals war Harald Naegeli, ein bekannter Züricher Sprayer, sein großes Vorbild. „Der hat mir imponiert“, „Er nahm sich nämlich einfach die Freiheit und besprühte Schweizer Villen“. Es scheint, als hätte ihn gerade der Reiz etwas „Verbotenes“ zu tun, gepackt.

Mittlerweile sind 4000 Orte dieser Welt persönlich mit seinem ikonischen Bananen-Stencil von ihm markiert worden. Er sucht diese Orte selbst aus, denn jeder Ort der eine Banane bekommt, hat für ihn etwas mit „guter Kunst“ zu tun. Zum Ärgernis vieler Galeristen, denn mit seinen Bananen hat er den Spieß umgedreht. Nicht mehr die Galeristen bewerten gute Kunstorte, sondern stattdessen seine Bananen. „Aber eigentlich ist es ja die Aufgabe eines Galeristen den Künstler zu bewerten“, sagt er mit einem schadenfreudigem Grinsen im Gesicht. Die Leute rufen ihn mittlerweile sogar an und fragen „Ich hätte gerne eine Banane, wann können Sie kommen?“.

Warum seine Bananen so einen Hype ausgelöst haben, ist ihm selbst ein Rätsel. Aber eigentlich ist es doch ganz einfach. Die Banane steht nicht für Kirche, Religion und Leiden, sondern für das genaue Gegenteil. Sie steht für frische Kunst und etwas das sich verändert, wie die Banane die von gelb zu braun wird. Sie hat was Freches und Verrücktes und spricht auch das jüngere Publikum an.

Fast schon traurig erzählt er von der wenigen Zeit, die er mittlerweile nur noch übrig hat zum malen: „Mein Alltag besteht zu 90% aus Verwaltung. Ich muss Ausstellungen vorbereiten, Geld reinbekommen, Emails checken und dann habe ich auch noch eine Familie“. Baumgärtel bezeichnet mittlerweile seinen Sohn als sein „größtes Kunstwerk“, und dafür geht mehr Zeit drauf als für jedes seiner bisherigen Großprojekte. „Wenn ich sehe wie er mit seinen jungen Jahren eine richtige Figur aufs Papier malt“, wird mir warm ums Herz, und er ergänzt stolz „da wünscht man sich ja schon, dass er mal so wird wie Papa.“ Nur Bananen soll der Sohn nicht malen. Und auch Herr Baumgärtel setzt in seinen aktuellen Kunstwerken neue Akzente. Er spricht Themen an wie zum Beispiel: Konsumgesellschaft, Finanzwelt und Kirche. Er ist es satt nur auf seine Bananensprüherei reduziert zu werden und erzählt wie wütend ihn Journalisten machen, die Ihre Artikel mit „alles Banane“ betiteln.

„Totally Bananas“, oder „total Banane“, wie es im deutschen heißt, ist Thomas Baumgärtel definitiv nicht. Im Gegenteil, man hat den Eindruck einen bodenständigen und lebensfrohen 53-jährigen Mann mit viel Humor vor sich zu haben und das spiegelt sich auch in seinen Bildern wieder.

Svenja Kellershohn, Mai 201

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