Ansprache von Konrad Adenauer zur Eröffnung der Au
Mit „Warum, warum ist die Banane krumm?“ antworten entnervte Eltern ihren Kleinen, wenn sie mit deren unmöglichen Fragen bedrängt werden. Und jetzt noch der Bananensprayer! Warum? „An Thomas Baumgärtel scheiden sich die Geister !“ hätte man sicherlich vor einigen Jahren noch die Kunstbetrachter sich äußern hören können. Er wurde sowohl beneidet als auch verächtlich gemacht. Inzwischen ist Thomas Baumgärtel über diesen Punkt weit hinaus. Er ist ein arrivierter Künstler, wenn man das so sagen soll und darf. Zunächst einige äußere Daten: Er ist geboren 1960 in Rheinberg am Niederrhein und dort aufgewachsen. Diese Stadt ist ansonsten bekannt durch Produkte, die üblicherweise grün verpackt werden. Er hat seine früheste Künstlerausbildung erfahren an der Kölner Schule für Kunsttherapie im Jahr 1984 und anschließend an der Universität Köln Psychologie studiert bei den Professoren Salber und Heubach und dort sein Diplom erworben. Später hat er als Encounter-Therapeut an der Human University Egmond aan Zee in Holland gearbeitet, und schließlich an der Fachhochschule Köln als Meisterschüler von Professor Franz Dank bis 1990 freie Kunst studiert. Ich habe Thomas Baumgärtel vor vielen Jahren bei einer privaten Kunstausstellung kennengelernt und als damaliges Vorstandsmitglied der Stiftung Kaufmannshof Hanse bei seiner Sprayaktion an einer Wand des Stiftungsgebäudes in der Nähe des Wasserturms unterstützt. Das Bild ist heute noch zu sehen. Ich sehe vor mir gerade den Stiftungsvorsitzenden Axel Goergen.
1986, also vor 20 Jahren, gab es die erste Spray-Banane. Diese berühmte Banane ziert tausende Kunstorte nicht nur in Köln, sondern auch in vielen anderen deutschen Orten, aber auch in Basel und Zürich, Wien, Paris, London, New York und Moskau. Wer die Bananen neben einem Hauseingang sieht, weiß gleich: hier geht es um Kunst, entweder museal oder auch im Handel.
Auf diesem Wege wurde auch ich vor einer Reihe von Jahren auf Thomas Baumgärtel aufmerksam und stellte mir die auch von vielen anderen gestellte Frage, ob die Eigentümer oder Betreiber solcher Kunstorte die Banane sich gewünscht haben, wie nach zweijähriger heftiger Gegenwehr Herr Gohr für das Museum Ludwig, ob sie sie einfach schicksalsergeben in Kauf genommen haben oder ob sie sie etwa bekämpft haben und dagegen vorgegangen sind wie z.B. die Galerie Werner.
Die Banane wird biologisch auch „Musa“ genannt, nach dem Arzt A. Musa, oder in Südafrika „Piesang“. Zu den Bananengewächsen gehört auch die Strelitzie, die in Südafrika heimisch und weit verbreitet ist. Die Vogelfamilie der Turakos nennt man „Bananenfresser“, und „Bananenstecker“ sind einpolige Steckvorrichtungen mit federnden Kontaktflächen. Die Obstbanane (musa paradisiaca sapientium) heißt so, weil sie angeblich die Speise der Weisen ist, die Mehlbanane (musa paradisiaca normalis) ist roh ungenießbar und dient in zahlreichen tropischen Ländern als Grundnahrungsmittel. Die Zwergbanane (musa nana) wird auf den Kanarischen Inseln für den Export angebaut, die Faserbanane (musa textilis) liefert aus den Fasersträngen der Blattscheiden eine ausgezeichnete, sehr feste Spinnfaser (Manila-Faser). Als Schädling ist bekannt der Bananenrüßler (cosmopolites sordidus), der mit seiner Larve die Rhizome und Wurzelschößlinge der Bananenpflanze angreift.
Die Banane spielt in der Literatur keine große Rolle. Kindlers Neues Literaturlexikon weist nur einen einzigen Bananentitel aus, nämlich „Banana bottom“ von Claude McKay, erschienen 1933, wobei, um Fehldeutungen vorzubeugen, ich darauf hinweise, daß es sich bei „Banana bottom“ um einen Ortsnamen in der Karibik handelt, also um Bananengrund. Die zahlreichen deutschen Gedichtsammlungen, die mir zur Verfügung stehen, weisen kein einziges Bananengedicht aus. Während unsere Jugendgruppen singen: „Wer hat die Kokosnuß geklaut?“ singt Harry Belafonte: „Hey, Mr. Telliman, telli my banana!“ Unsere Kinder reiten auf einer Riesenbanane auf der See, und der Menschenaffe kurvt in seinem Bananamobil durch unsere Kinderbücher. Warum hat nur die Wurst zwei Enden? Der WDR-Journalist Klaus-Jürgen Haller hat sich in seinem Buch „Wörter wachsen nicht auf Bäumen“ mit der Banane befasst. In seinem Artikel fand ich allerdings fast nur die Wiedergabe entsprechender Lexikonartikel, bis auf folgende neue Erkenntnis, daß es im amerikanischen Slang einen „Banana head“ gibt, dessen Eigentümer als Dummkopf gilt, und daß der Satz „He went bananas“ mit „Jetzt dreht er endgültig durch“ zu übersetzen ist.
Hier kommen wir auch schon zum Thema des heutigen Abends: Krumme Dinger, eine höchst doppeldeutige Angelegenheit. Es ist nicht zum ersten Mal, daß Thomas Baumgärtel mit der Justiz in Berührung kommt. Ist es heute abend für ihn ein angenehmer Umgang, war es früher für ihn doch oft eine eher herbe Begegnung, ja es ging um Konflikte mit der Justiz. Heute hat er sie künstlerisch verarbeitet, wie unter anderem ein ganzer Dokumentationsgang hier oben zeigt. Da ging es um eine Sprayaktion auf dem Zeppelinfeld in Nürnberg, ebenso wie um seine Verteidigung durch den in Kunstdingen sehr engagierten Rechtsanwalt Louis Ferdinand Peters, der ihn ebenso wie vor Zeiten den Schweizer Sprayer Harald Naegeli verteidigt hat. Peters ist geradezu ein Sprayanstifter; übrigens sind Baumgärtel und Naegeli laut einem hier wiedergegebenen Bericht der Neuen Zürcher Zeitung vor einigen Jahren zusammengetroffen. Herrlich auch der Artikel vom Schäng im Kölner Stadt-Anzeiger aus Baumgärtels früher Zeit, hier vergrößert nachzulesen. Spektakulär war Baumgärtels Aktion mit der Riesenbanane, die aus dem Kölner Dom herausschaut, oder auch seine Bemalung des beton-ummantelten Autos von Wolf Vostell „Ruhender Verkehr“ auf dem Hohenzollernring. Beide Aktionen sind hier ausreichend dokumentiert. Ich fand Wolf Vostell nicht schlecht, aber Thomas Baumgärtels Idee, diese etwas fade, eintönige und eigentlich zum Vergessen einladende Betonplastik mit einem Bananenkleid zu versehen, fand ich wunderbar kreativ. Wir wissen, daß er damit juristisch nicht durchkam und die Bananen wieder entfernen musste. Schade! Vostell ist tot, Baumgärtel lebt. Vita brevis, ars longa. Am Ende der Aktion bestieg Baumgärtel per Leiter im meterlangen Bananenkleid das gereinigte Betonauto, um als Freiheitsstatue dem freien Autoverkehr auf dem Ring den Weg zu weisen. Heute abend tut er dies zu meiner Linken auf einem Gemälde ebenso, in Kontrast zu seinem gegenüber hängenden Bild als „Knacki“. Mir gegenüber hoch oben hat er ein Selbstportrait von sich gehängt, das ihn in voller Sprayaktion zeigt, darunter, gemütlich schmunzelnd, seinen „Richter“.
Zukunftsvision ist noch die große Banane im Brandenburger Tor in Berlin. Aber auch Christo mußte bei der Reichstagsverhüllung einige Jahre auf die Realisierung warten. Immerhin setzt sich der frühere Berliner Kultursenator Christoph Stölzl für ihn ein. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: ich bin gegen jedes wilde Sprayen, und zwar sehr heftig. Bei Thomas Baumgärtel geht es immer nur um ein kleines einfaches Zeichen, die Banane, die auf Wunsch auch wieder entfernt wird.
Aber so ein kecker, ab und zu wider den Stachel der Obrigkeit Löckender war Thomas Baumgärtel schon immer. Er war halt ein wenig aufsässig, aber nicht auf die unmittelbare, direkte oder gewaltsame Methode, sondern einfach mutig mit viel Zivilcourage. So war es auch, als er die Banane an sich als Kunstwerk erfand. Seinerzeit ging es um eine vertrocknete gealterte Banane, die er als Ersatz für einen heruntergefallenen zerstörten Corpus an ein Kruzifix in einem Altenheim hängte, in dem er seinen Zivildienst versah. Hier ist auch der einzige Punkt, bei dem ich mit ihm nicht übereinstimme. Hier ging er nach meinem Dafürhalten schon gleich am Anfang zu weit. Der Gekreuzigte und das Kreuz eignen sich nicht als Satireobjekte.
Nun mögen kluge Beobachter einwenden, daß Thomas Baumgärtel all die Aktionen in der Öffentlichkeit eigens ausgeheckt hat, um sich gewissermaßen am Rande der Legalität bekannt zu machen. Sicherlich spielt so etwas immer mit und sind auch schon viele Künstler in den vergangenen Jahrhunderten so verfahren. Gerade in der heutigen Zeit muß man mit dem Handwerkszeug klappern, wenn das auch mit Bananen schwerfällt. Aber die Banane war ja für uns Deutsche in der Vergangenheit immer ein Zeichen des Wohlstands, der guten Ernährung, erst Recht für die DDR, als sie zu uns kam. Sie ist gewissermaßen ein Grundnahrungsmittel. Manche behaupten, sie besitze ein Glücksenzym. Andererseits sprechen wir von Bananenrepubliken und kennen auch den Ausdruck „Alles ist mir Banane“, d.h. egal, s.a. auch die Inschriften in dieser Ausstellung. So hat die Banane durchaus einen ambivalenten Charakter bei uns. Schließlich ist sie die Hauptzielscheibe der Linken gewesen, wenn sie gegen die internationalen Fruchthandelsgesellschaften vorgingen. Es gab Kriege um Bananen, es gab den Kampf der Bananen auf den Kanarischen Inseln gegen die Bananen aus Amerika und wiederum führten diese Krieg gegen die Bananen aus Afrika. Die EU war gespalten, da die Deutschen lieber die Bananen aus Amerika aßen als die kleinen aus Afrika, die sie aus Liebe zum Nachbarn Frankreich essen sollten, und so weiter. Die Bananenrepublik meint ja eine Republik, die eigentlich so schwach ist, daß die ganze Staatsmacht auf Bananenfüßen steht („Chiquita“). All dieses schwingt mit bei Thomas Baumgärtels Bananenarbeiten, die inzwischen so vielfältig geworden sind, daß man manchmal den Ursprung gar nicht mehr erkennt, z.B. bei den Politikerportraits, die auf der Grundlage von Bananenschablonen entstanden sind und die natürlich alle in schwarz-gelb gehalten sind, mein Großvater ist auch darunter. Schade ist, daß mir dieses Bild nie zum Erwerb angeboten worden ist. Nicht ohne Schärfe sind diejenigen einzelnen Bananen, die in sich Politikerportraits tragen, die es also in sich haben.