Eröffnungsrede von Nina Schulze

Eröffnung der Ausstellung „Thoma Baumgärtel: Back to the Banana Roots“ am 29.6.2018 Galerie PR8, Schulstraße 8, 47608 Geldern

Liebe Gäste, liebe Freunde, liebe Bananenliebhaber,
heißen Sie mit uns willkommen, aus der Stadt der krummen Dinger, aus Köln, den Bananensprayer, den Künstler Thomas Baumgärtel!

Wir eröffnen heute Abend seine Ausstellung hier in der Galerie PR8 bei Peter Rademacher mit dem Titel „Back to the Banana Roots“ – zurück zu den Bananen-Wurzeln – zurück zu den Wurzeln des Bananensprayers!

Thomas Baumgärtel hat nämlich nicht immer in Köln gewohnt und gearbeitet, vielmehr wächst er ganz in der Nähe, in Rheinberg, auf und lebt dort bis zu seinem Zivildienst. Er ist also ein Kind des Niederrheins. Dieser Umstand ist auch deshalb nicht ganz unwichtig, da dort im Rheinberger Krankenhaus während seines Zivildienstes die erste denkwürdige Bananen-Arbeit überhaupt entsteht, wegweisend und ikonisch aus der heutigen Perspektive, die Banane am Kreuz aus dem Jahr 1983. Ein Holzkreuz war von der Wand gefallen, der gipserne Christus hatte den Sturz nicht überstanden. Den Heiland ersetzt Baumgärtel, noch bevor er realisiert, dass das seine erste künstlerische Aktion gewesen sein wird, kurzerhand durch eine Banane.

Es folgen Jahre des Studiums, der Psychologie und der Malerei, und es wird immer klarer, die Banane war es und wird es bleiben, das Motiv seiner Kunst, das Material des Künstlers Baumgärtel, sein Markenzeichen. Noch während seines Studiums entsteht die erste in Graffiti-Manier gesprühte Banane, der Bananensprayer ist geboren.

Die „gekreuzigte Banane“ und die „Ur-Schablone“ für die Spray-Banane sind heute hier zu sehen, ausgestellt als Kunstwerke, die schon ordentlich Patina angesetzt haben.

Was hat es mit der Banane auf sich?

Erst einmal: Man würde Thomas nicht gerecht, würde man ihn auf das Label „Bananensprayer“ reduzieren. Denn er ist mehr als das, aber dazu später.

Die Banane ist ein Phänomen des Pop: Prall, gelb und süß ist sie seit den 1960er Jahren aus Kunst und Kommerz nicht mehr wegzudenken. Künstler wie Roy Lichtenstein, Claes Oldenburg, Mark Rothko oder natürlich Andy Warhol haben Bananen dargestellt (man denke nur an Warhol´s Cover für das Debut-Album von Velvet Underground).

Die Banane ist aber nicht nur ein Phänomen des Pop, sondern sie steht auch für ernstere gesellschaftliche Themen. Sie ist sowohl Symbol für Konsum, als auch ein Symbol für politische Unterdrückung. Wagen wir einen Blick zurück in die Geschichte: Seit gut 100 Jahren ist die Banane aufgrund aggressiver Werbestrategien der United Fruit Company auf dem Europäischen Kontinent willkommen und stark nachgefragt, nicht zuletzt auf Kosten Mittel- und Südamerikanischer Länder, die unter neokolonialistischen Bedingungen für die Produktion sorgen.

Allzu bequem wäre es, diesen Umstand als historisch gewachsen abzutun und das Thema dort zu belassen, wo Gesellschaften zugunsten des Konsums ausgebeutet werden, nämlich in Amerikas Süden. Nein, wir kommen nicht davon: Bundespolitisch in Erscheinung trat die Banane gleich zweimal am Ende des letzten Jahrhunderts: als nämlich 1984 die Flick-Parteispendenaffäre Anlass für die Bezeichnung der BRD als „Bananenrepublik“ gab, in der Korruption und Bestechung politischer Amtsträger möglich waren. Und 1989, als die Satire-Zeitschrift „Titanic“ zum Mauerfall bitterböse titelte: „Zonen-Gabi: Meine erste Banane“. Um diese Zeit ist es, dass Baumgärtel die Banane als Icon vereinnahmt, als Piktogramm oder aber auch als „Tag“ (um in der Sprache der Sprayer zu bleiben) um sie als Symbol für Kunst einzusetzen, die politisch, gesellschaftskritisch und provokant Denkanstöße liefert. Beispiele dafür sind z.B. das Bild von Kim Jong Un auf der Bananen-Rakete oder die „Bundesbanane“/der „Bananenadler“.

Für Thomas ist die Banane ein Gestaltwandler, ein Metamorph, eine universelle und internationale Chiffre, die sich alles und jeden zu Diensten machen kann. Er lässt sie daherkommen als schwarz-gelbe Urgewalt, die sich einerseits nackig machen kann und ihr Schalen-Kleid ablegt, aber andererseits auch alles nur Denkbare mit ihrem Look vereinnahmt. Beispielhaft für diese Wendigkeit ist die Serie, die Baumgärtel „die Metamorphose der Spraybanane“ nennt. Alle Bilder der Serie sind im Format 40x50 cm gesprayt: Schlumpf-Banane, Peace-Banane, Apfel-Banane, die Dom-Banane oder die Euro-Banane. Thomas nutzt hier die Strategie des „Mashup“, einer Motiv-Collage aus disparaten, bereits bestehenden Motiven, die er kombiniert. Die Motivwelt ist bei weitem nicht nur politisch, sondern auch spielerisch und humorvoll und eignet sich Comicfiguren, Symbole und Ikonen der Kinderwelt an.

Auf diese Weise wird die Banane zur Markenbotschafterin und Kommunikationsfigur, die Thomas spontan und intuitiv, wendig und zielstrebig modifiziert. Dieses „bildhafte Tagebuch“, wie er die Serie der „Metamorphosen“ auch bezeichnet, erlaubt es ihm, die Banane immer wieder neu zu kontextualisieren, sie tagesaktuell zu halten, und ihr Potential auszubauen.

An dieser Stelle sei auch noch auf die neusten Arbeiten verwiesen, den Werkzyklus der „moving bananas“, die die sprichwörtliche Wendigkeit und Beweglichkeit der Banane ins Bild setzen, in bewegliche Bilder. Kooperativ zu arbeiten ist Teil von Thomas´ Werkverständnis: Peter Rademacher, der Galerist und Metallbildner und Thomas Baumgärtel, der Bananensprayer, haben gemeinsam das Konzept zur Lösung der Banane von der Fläche erarbeitet, um sie im Raum mobil zu machen. Dabei herausgekommen sind kinetische Bananen-Objekte, die den Betrachter zum Mittun und Eingreifen auffordern. Ohne unsere Bewegungsenergie, mit der wir dem Objekt begegnen, bleibt es rein bildhaft. Erst mit der Bewegung wird es zum agilen „Bananomat“, zum Sinnbild für die nicht endende Variationsbreite der Spraybanane.

Ich sagte eben, Thomas sei mehr als „nur“ der Bananensprayer. Dass er auch Maler ist, und Street Art kongenial in eine sich ihrer Traditionen bewusste Malerei überführt, beweisen beispielsweise seine Brücken-Bilder, die aus dem Werkzyklus „Building Bridges“ entstammen. Zwei davon bilden hier die inhaltliche wie formale Klammer für diesen Raum. Gemalt auf im Stadtraum gefundene Untergründe wie Plakatwände oder Holzteile stellen sie deutsche wie internationale Brücken dar und thematisieren das sinnbildliche Brückenschlagen, das Aufeinanderzugehen, das Vermitteln - statt Mauernerrichten. Sofort fühlt man sich an aktuelle europäische und internationale politische Diskurse erinnert, die längst für überwunden gehaltene hegemoniale Argumente zurück in die Öffentlichkeit tragen. Thomas sagt dazu: „Die Brücke ist eine Allegorie der Überwindung von Hindernissen. Deshalb ist es jetzt dringlicher denn je Brücken zu bauen. Sowohl echte als auch symbolische.“

Die Galerie PR8 schlägt mit dieser Ausstellung die Brücke zurück zu den Banana-Roots, an den Niederrhein. Gleichzeitig schlägt Thomas unermüdlich Pfeiler ein für eine aufgeklärte, liberale und menschliche Gesellschaft.

Nina Schulze

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